aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Satellitenaufnahme des Oberrheingrabens und seiner Randgebirge; oben das Rheinische Schiefergebirge, unten rechts der Bodensee
Die Oberrheinische Tiefebene ist ein etwa 300 km langes und bis zu 40 km breites Tiefland am Mittellauf des Rheins zwischen den Städten Basel und Frankfurt am Main. Geologisch stellt sie einen tief in die Erdkruste reichenden Grabenbruch dar, der als Oberrheingraben bezeichnet wird.
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]
* 1 Geographie
o 1.1 Geographische Lage
o 1.2 Naturräumliche Gliederung
o 1.3 Klima
* 2 Geologie
o 2.1 Die wichtigsten Zahlen
o 2.2 Grabenbruch
o 2.3 Erdbeben
o 2.4 Vulkanismus
o 2.5 Bodenschätze
* 3 Besiedelung
* 4 Wirtschaft
* 5 Weblinks
* 6 Quellen und Einzelnachweise
o 6.1 Allgemeine Quellen
o 6.2 Einzelnachweise
Geographie [Bearbeiten]
Geographische Lage [Bearbeiten]
Die Oberrheinische Tiefebene wird vom Rhein – und zwar von seinem Abschnitt Oberrhein – durchflossen. Der südlichste Teil der Ebene befindet sich in der Nordwestschweiz um die Stadt Basel, der südwestliche Abschnitt liegt in der französischen Region Elsass mit den Hauptorten Straßburg, Colmar und Mülhausen, der nordwestliche Teil und das gesamte Gebiet östlich des Rheins gehören zu Deutschland. Die Ebene ist der morphologische Ausdruck der bedeutendsten geologischen Struktur in Mitteleuropa, des Oberrheingrabens.
Naturräumlich umfasst das sogenannte Oberrheinische Tiefland auch das Rhein-Main-Tiefland, das nach Nordosten dem Unterlauf des Mains flussaufwärts folgt.
Oberrheinische Tiefebene, Blick von Westsüdwest nach Ostnordost: Vorne ein Weinberg nahe Neustadt an der Weinstraße, im Hintergrund Mannheim (rechts das Großkraftwerk), dahinter der Odenwald
Naturräumliche Gliederung [Bearbeiten]
Das Südwestdeutsche Schichtstufenland mit dem Oberrheinischen Tiefland im Westen
Oberrheingraben (blau) zwischen Basel und Frankfurt inmitten randlich angegliederter Mittelgebirge (grün bis braun); Farbgebung nach digitalem Höhenmodell
Die deutschen Anteile des Oberrheinischen Tieflands gliedern sich wie folgt:[1] [2] [3]
* D53 Oberrheinisches Tiefland (Oberrhein- und Maingraben)
o 20 Südliches Oberrheintiefland
+ 200 Markgräfler Rheinebene
+ 201 Markgräfler Hügelland
+ 202 Freiburger Bucht
+ 203 Kaiserstuhl
o 21 Mittleres Oberrheintiefland
+ 210 Offenburger Rheinebene
+ 211 Lahr-Emmendinger Vorberge
+ 212 Ortenau-Bühler Vorberge
o 22 Nördliches Oberrheintiefland
+ 220 Haardtrand
+ 221 Vorderpfälzer Tiefland
+ 222 Nördliche Oberrheinniederung
+ 223 Hardtebenen
+ 224 Neckar-Rhein-Ebene
+ 225 Hessische Rheinebene
+ 226 Bergstraße
+ 227 Alzeyer Hügelland
+ 228 Unteres Naheland
o 23 Rhein-Main-Tiefland
+ 230 Messeler Hügelland
+ 231 Reinheimer Hügelland
+ 232 Untermainebene
+ 233 Ronneburger Hügelland
+ 234 Wetterau
+ 235 Main-Taunusvorland
+ 236 Rheingau
+ 237 Ingelheimer Rheinebene
Siehe auch: Naturräumliche Haupteinheiten Deutschlands
Klima [Bearbeiten]
Mandelblüte in Rheinhessen
Der Oberrheingraben und seine Randzonen zu den Gebirgen hin haben die mildesten Winter und die wärmsten Sommer in Deutschland bei geringen bis mäßigen Niederschlägen. Ursache dafür sind häufige Südwest-Wetterlagen mit Luftmassen aus dem westlichen Mittelmeerraum; Föhn-Effekte durch absinkende Luft an der westlichen Grabenbruchkante können zusätzliche Temperaturerhöhungen bewirken. Die Niederschlagsmengen nehmen nach Osten hin zu, weil es an der östlichen Bruchkante zu Steigungsregen kommt.
Die günstigen klimatischen Bedingungen lassen im Freiland Weinreben, Mandelbäume, Feigen und Esskastanien gedeihen und Früchte tragen. Mit Rheinhessen, der Pfalz und Baden liegen die drei in dieser Reihenfolge flächenmäßig größten deutschen Weinbaugebiete nahezu vollständig im Oberrheingraben.
Geologie [Bearbeiten]
Die wichtigsten Zahlen [Bearbeiten]
* Dehnung der Erdkruste in WNW-OSO-Richtung von 6 bis 8 km
* Seitenverschiebung der linksrheinischen Gebiete nach Südwesten vermutlich < 5 km
* Absenkung der Erdoberfläche im Graben bis etwa 4 km, vollständig aufgefüllt mit Sedimenten
* Aufwölbung der Kruste-Mantel-Grenze von anfänglich 30 auf 25 bis 26 km
* Anhebung der Grabenschultern bis zu 2,5 km
* Erodierte Gesteinssäule auf den Grabenschultern bis zu 1,5 km
Grabenbruch [Bearbeiten]
Der Oberrheingraben ist eines der zentralen Segmente einer Grabenbruchzone, die sich von der Nordsee bis in das westliche Mittelmeer erstreckt (Mittelmeer-Mjösen-Zone). Ursache für die Entstehung der Grabenzone waren Zugspannungen in Erdkruste und Erdmantel (Passives Rifting). Die Spannungen riefen eine Dehnung der Erdkruste hervor, die zu ihrer Ausdünnung führte. Als deren Folge senkte sich die Erdoberfläche in der Grabenzone ab. Dagegen wölbte sich die Kruste-Mantel-Grenze (Moho) unter dem Graben auf. Im Oberrheingrabengebiet wurden zeitgleich die Gebiete westlich und östlich zu den Grabenschultern von Vogesen/Pfälzerwald bzw. Schwarzwald/Odenwald emporgehoben. Ein Teil des entstandenen Reliefs wurde durch Sedimentation, die in den abgesunkenen Graben hinein erfolgte, sowie Erosion der gehobenen Schultern ausgeglichen.
Die früher vertretene These, dass eine subkrustale Wärmequelle (Plume) für die Entstehung des Oberrheingrabens verantwortlich sei (Aktives Rifting), ist nach neueren Befunden aus der Geophysik und Geodynamik nicht haltbar.
Abriss der oberrheinischen Grabenentwicklung
Die Entstehung des Oberrheingrabens begann vor ca. 35 Millionen Jahren. Sie verlief im Wesentlichen in zwei Phasen. In Phase I vor 35 bis 20 Millionen Jahren herrschte in Mitteleuropa ein Dehnungsregime. Die Dehnung wurde im Oberrheingrabengebiet an bereits vorhandenen Verwerfungen lokalisiert. Es kam über die gesamte Länge des Grabens zwischen Frankfurt und Basel zu einer Absenkung der Erdoberfläche und Ablagerung von Sedimenten. Die randlichen Gebiete hoben sich zu Grabenschultern heraus.
Mit dem Übergang in Phase II wurde die Dehnung durch ein Blattverschiebungsregime abgelöst. Die Gebiete westlich des Oberrheingrabens (Ostfrankreich, Pfalz, Rheinhessen) verschoben sich relativ zu den rechtsrheinischen Gebieten nach Südwesten. Die weitere Absenkung im Graben beschränkte sich auf das Grabensegment nördlich der Stadt Karlsruhe. Dagegen unterlagen die anderen Grabenabschnitte samt den randlichen Schultern der Hebung und Erosion. Das Blattverschiebungsregime ist heute weiterhin aktiv. Allerdings hat sich in jüngerer geologischer Vergangenheit die Größe und Ausrichtung der Spannungen in der Erde geringfügig geändert, so dass wieder Sedimentation im gesamten Graben stattfindet.
Siehe auch: Mainzer Becken
Erdbeben [Bearbeiten]
Der Oberrheingraben ist ein Gebiet erhöhter Seismizität. Die Erdbeben sind im Allgemeinen von geringer Magnitude und Intensität (gemäß der MSK-Skala). Es kommt durchschnittlich alle paar Monate zu einem Erdbeben der Magnitude 3, das von Menschen in der unmittelbaren Umgebung des Epizentrums gespürt werden kann. Ungefähr alle zehn Jahre sind überregional wahrnehmbare seismische Erschütterungen mit Magnituden > 5 und leichten Schäden zu erwarten. Eine Ausnahme stellt die Region um Basel und den angrenzenden Schweizer Jura dar. Dort traten in Mittelalter und Neuzeit Erdbeben mit zerstörerischen Auswirkungen auf (etwa das Basler Erdbeben von 1356). Es wird vermutet, dass diese Erdbeben mit der fortdauernden Überschiebung des Schweizer Juras auf den südlichen Oberrheingraben in Verbindung stehen.
Erdbeben werden in weiten Bereichen des Oberrheingrabengebietes hinunter bis in Tiefen von etwa 15 km ausgelöst. In noch größeren Tiefen verformen sich die Gesteine aufgrund der hohen Temperaturen durch raumgreifendes Kriechen. Ein Versatz von Gesteinsschichten entlang von Verwerfungen, der eine Voraussetzung für das Auftreten von Erdbeben wäre, findet im Oberrheingrabengebiet dort nicht mehr statt.
Vulkanismus [Bearbeiten]
Datei:Wiki Kaiserstuhl.jpg
Blick über den Kaiserstuhl
Datei:Rheingraben 1.JPG
Blick in den Rheingraben vom Melibokus (Odenwald) aus
In Südwestdeutschland mit dem Oberrheingrabengebiet sind Überreste einstiger Vulkane weit verbreitet (z. B. Kaiserstuhl, Hegau, Schwäbischer Vulkan, Steinsberg, Katzenbuckel, Pechsteinkopf). Die meisten Vulkanite sind um die 40 Millionen Jahre alt, ein zweiter vulkanischer Höhepunkt war vor 18 bis 14 Millionen Jahren. Die Magmen stammen fast ausschließlich aus einem bis zu 2 % aufgeschmolzenen Teilbereich des Erdmantels (Asthenosphäre). Er befindet sich unter Südwestdeutschland in Tiefen von über 70 km. Die Magmen stiegen aus diesen Tiefen nahezu unverändert bis an die Erdoberfläche auf und erstarrten vorwiegend als Nephelinite und Melilithite. Nur lokal entwickelten sich beim Aufstieg andere Magmenzusammensetzungen (z. B. am Kaiserstuhl).
Eine Grabenbildung kann durch die Ausdünnung der Erdkruste zur Entstehung thermischer Anomalien im Erdmantel führen. Die Anomalien rufen die Produktion magmatischer Schmelzen und Vulkanismus an der Erdoberfläche hervor. Im Oberrheingrabengebiet entstand jedoch keine solche thermische Anomalie, weil der Erdmantel wegen der langsam erfolgten Dehnung bei seinem Aufstieg abkühlte. Es wird eher ein Zusammenhang zwischen dem Vulkanismus und der Entstehung der Alpen vermutet, weil bedeutende geologische Ereignisse im Alpenraum zeitlich mit den Höhepunkten vulkanischer Aktivität in Südwestdeutschland zusammenfielen.
Bodenschätze [Bearbeiten]
Datei:Erdöltiefpumpe.jpg
Erdöltiefpumpe, wie sie früher in der Rheinebene häufig zu sehen war
* Grundwasser – Das Oberrhein-Aquifer ist einer der größten Grundwasserspeicher Europas.
* Erdöl – Hauptsächlich in tieferen Schichten, teilweise aber auch oberflächennah, fand und findet sich Erdöl. Die Erdölvorkommen in Merkwiller-Pechelbronn sind seit 1498 belegt und gehören weltweit zu den ersten, die ausgebeutet wurden. Noch heute wird in der Nähe von Landau in der Pfalz in geringen Mengen Öl gefördert. Die erdölführenden Schichten im Oberrheingraben werden als Pechelbronner Schichten bezeichnet. Seit 2008 wird aus dieser Schicht auch in Speyer Erdöl gefördert.
* Erdwärme – In neuester Zeit begann die Nutzung von Geothermie, so etwa im Kanton Soultz-sous-Forêts und in Landau, wo Ende 2007 ein Geothermiekraftwerk ans Netz ging.
* Kies und Ton – Entlang des Rheins wurde und wird Kies in großen Mengen abgebaut, um als Baustoff Verwendung zu finden; einst wurde aus den Rheinkiesen auch etwas Gold gewonnen. Ton, früher für die Herstellung von Geschirr gebraucht, wird heute in sehr begrenztem Umfang für die Ziegelherstellung abgebaut.
Besiedelung [Bearbeiten]
Die Oberrheinische Tiefebene ist dicht besiedelt. Großstädte sind
* auf Schweizer Gebiet Basel,
* auf französischem Gebiet Mülhausen und Straßburg,
* auf deutschem Gebiet Freiburg, Karlsruhe, Mannheim mit Ludwigshafen und Heidelberg, Frankfurt am Main mit Offenbach, Darmstadt, Mainz und Wiesbaden.
Wirtschaft [Bearbeiten]
Die Oberrheinische Tiefebene ist Teil der sogenannten „Blauen Europa-Banane“, einer besonderen Wachstums- und Entwicklungszone, die von London bis nach Mailand reicht. In der Rheinebene zählen dazu folgende bedeutende Wirtschaftsregionen: die Trinationale Metropolregion Oberrhein mit den Städten Strasbourg und Mulhouse (F), Karlsruhe und Freiburg (D) sowie Basel (CH), und in Deutschland die Metropolregion Rhein-Neckar mit Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg sowie das Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Mainz und Wiesbaden.
Weblinks [Bearbeiten]