Niederländische und deutsche Astrophysiker stießen jetzt auf ein unvergleichliches Phänomen im Universum. Mit mehreren Radioteleskopen beobachteten sie einen mehrere Millionen Lichtjahre langen Materiebogen, das Ergebnis einer der mächtigsten Kollisionen, wie sie sich überhaupt im All ereignen können – wenn nicht nur einzelne Galaxien aufeinanderprallen, sondern komplette Galaxienhaufen! Die von einem solchen Ereignis ausgehenden Partikelschauer rasen annähernd mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum und treffen auch die Erde. Der Zusammenstoß von Galaxienhaufen könnte die Quelle rätselhafter, ultraenergiereicher Teilchen sein.
Die Stätte ist geheimnisvoll: ein Biowaffenlabor der US-Armee, gelegen in einer einsamen Wüstenregion des US-Bundesstaats Utah. Hier, auf den Dugway Proving Grounds, dem Schauplatz einiger skrupelloser militärischer Experimente, befindet sich auch ein über die Jahre immer wieder modifiziertes Detektorsystem für kosmische Strahlung – Fly’s Eye genannt. In der Nacht des 15. Oktober 1991 fing dieses »kosmische Auge« etwas nie zuvor Gesehenes ein. Was da mit unerwarteter Wucht auf den Detektor prallte, war ein einzelner Wasserstoffkern, ein superschnelles Proton mit einer Energie von dreihundert Millionen Billionen Elektronenvolt. Anders ausgedrückt: Hier raste ein einzelner Partikel mit der Energie heran, die ein Fußball bei einem Tempo von beinahe 100 Stundenkilometer erreicht! Wie ein winziges Kernteilchen das schaffen konnte, war absolut unverständlich. Um diese Energie mit sich zu tragen, musste das Teilchen wirklich enorm schnell unterwegs sein. Eine einfache Berechnung ergab aus der Differenz zwischen bewegter Masse und Ruhemasse fast »aufs Haar genau« die volle Lichtgeschwindigkeit! Unglaublich: Dieses »Superteilchen« würde einem Photon nach einer zurückgelegten Strecke von einem kompletten Lichtjahr lediglich um 46 Milliardstel Meter »hinterherhinken«.
Die Forscher waren so überrascht von diesem Proton, dass sie es bald als das »Oh-mein--Teilchen« bezeichneten. Woher aber stammte es? Was konnte diesen Wasserstoffkern so stark beschleunigt haben? Lange Zeit wusste darauf niemand eine plausible Antwort zu nennen. Kein einziger Prozess im Universum schien eine gültige Erklärung liefern zu können.
Nur sehr selten treffen auf der Erde solche Teilchen einer ultra-hochenergetischen kosmischen Strahlung (UHECR) ein. Ab einer gewissen Energieschranke, bekannt als GZK-Limit, kommt es zu einem massiven Abbruch der Zahl eintreffender Teilchen, bedingt durch Energieverluste, wie sie wiederum bei Wechselwirkung mit der kosmischen Hintergrundstrahlung auftreten. Dennoch existieren superenergetische Teilchen und sie müssen einer entsprechend kraftvollen Quelle entspringen. Nur liefern offenbar nicht einmal die enorm energiereichen Supernova-Explosionen oder auch Aktive Galaxienkerne (AGN) genügend »Antrieb«. Jetzt könnte aber doch eine Erklärung gefunden worden sein, die einmal mehr zeigt, dass die Natur oft selbst die kühnste Fantasie übersteigt und genau wie im Fall des ultraschnellen Protons von Dugway einfach immer wieder mit echten Überraschungen aufwartet.
Astronomen der privaten Jacobs-Universität in Bremen, der Thüringer Landessternwarte Tautenburg sowie der niederländischen Leiden-Universität stießen nun mit Radioteleskopen auf einen schmalen, aber extrem langen Materiebogen im All, der Strahlung im Radiobereich aussendet. Er erstreckt sich über 6,5 Millionen Lichtjahre durch den Kosmos. Damit ist er rund 60-mal ausgedehnter als unser Milchstraßensystem.
Das mächtige Gebilde befindet sich am nördlichen Rand des rund 2,5 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxienhaufens CIZA J2242.8+5301. Schon länger vermuten Fachleute hier eine Besonderheit, denn die voluminöse Galaxienansammlung wirkt verzerrt und entlang einer Achse gestreckt. Alles sieht so aus, als ob sie von einem zweiten riesigen Galaxienhaufen durchdrungen wird. Diese speziellen Begegnungen sind die gewaltigsten Ereignisse im überschaubaren Universum.
Galaxien-Haufen sind eingebettet in ein dichtes Medium aus Gas. Wenn es zur Kollision zweier derartiger »Nester« von Welteninseln kommt, werden die enthaltenen Gasteilchen auf enorme Energien beschleunigt, die nirgendwo anders entstehen. Wie bei einem Überschallknall laufen dann Stoßwellen durch die Materie, lassen die Teilchen hin- und herschwingen und Strahlung aussenden.
Die neuen Funde bestätigen einige schon ältere Konzepte. Ein Ergebnis der Kollision und der folgenden Stoßwelle ist jener gigantische Materiebogen. »Allein schon aus seiner Form lässt sich augenblicklich ableiten, dass er aus einer Stoßwelle resultiert«, erläutert Reinout van Weeren von der Leiden-Universität. Eine weitere Bestätigung fanden die Astronomen am südlichen Rand des Galaxienozeans von CIZA J2242.8+5301. Dort nämlich stießen sie auf die deutliche Signatur eines kleineren Materiebogens.
Kosmische »Tsunamis« dieser ultimativen Größenordnung können nach den gegenwärtigen Berechnungen sage und schreibe über eine Milliarde Jahre hinweg existieren! Astronomie und Physik liefern immer wieder neue Überraschungen, die nicht selten auch ein völliges Überdenken althergebrachter Konzepte erforderlich machen. Das zeigen auch aktuelle Beobachtungen, denen zufolge möglicherweise eine bis dato unbekannte Teilchenart von unserer Sonne ausgesandt wird, die für eine Variabiliät von bisher für unveränderlich gehaltenen Natur-»Konstanten« verantwortlich zu sein scheint. Gerade jetzt bahnt sich insgesamt möglicherweise wieder ein Umbruch in der Physik an, der uns eine notorisch vergessene Tatsache auf ein Neues lehren dürfte: nämlich, dass unsere Konzepte von der Natur nichts mehr als Modellvorstellungen der Wirklichkeit sind. Sie werden zwar fortwährend ausgefeilter und präziser, doch die Wirklichkeit selbst werden sie dennoch nie bis ins Letzte wiedergeben können. Und genau in diesem Zwischenraum zwischen Konzept und Kosmos dürften noch einige Geheimnisse verborgen liegen.
2010 Das Copyright dieser Seite liegt, wenn nicht anders vermerkt, beim Kopp Verlag, Rottenburg
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Meinung des Verlags oder die Meinung anderer Autoren dieser Seiten wiedergeben.
Die Stätte ist geheimnisvoll: ein Biowaffenlabor der US-Armee, gelegen in einer einsamen Wüstenregion des US-Bundesstaats Utah. Hier, auf den Dugway Proving Grounds, dem Schauplatz einiger skrupelloser militärischer Experimente, befindet sich auch ein über die Jahre immer wieder modifiziertes Detektorsystem für kosmische Strahlung – Fly’s Eye genannt. In der Nacht des 15. Oktober 1991 fing dieses »kosmische Auge« etwas nie zuvor Gesehenes ein. Was da mit unerwarteter Wucht auf den Detektor prallte, war ein einzelner Wasserstoffkern, ein superschnelles Proton mit einer Energie von dreihundert Millionen Billionen Elektronenvolt. Anders ausgedrückt: Hier raste ein einzelner Partikel mit der Energie heran, die ein Fußball bei einem Tempo von beinahe 100 Stundenkilometer erreicht! Wie ein winziges Kernteilchen das schaffen konnte, war absolut unverständlich. Um diese Energie mit sich zu tragen, musste das Teilchen wirklich enorm schnell unterwegs sein. Eine einfache Berechnung ergab aus der Differenz zwischen bewegter Masse und Ruhemasse fast »aufs Haar genau« die volle Lichtgeschwindigkeit! Unglaublich: Dieses »Superteilchen« würde einem Photon nach einer zurückgelegten Strecke von einem kompletten Lichtjahr lediglich um 46 Milliardstel Meter »hinterherhinken«.
Die Forscher waren so überrascht von diesem Proton, dass sie es bald als das »Oh-mein--Teilchen« bezeichneten. Woher aber stammte es? Was konnte diesen Wasserstoffkern so stark beschleunigt haben? Lange Zeit wusste darauf niemand eine plausible Antwort zu nennen. Kein einziger Prozess im Universum schien eine gültige Erklärung liefern zu können.
Nur sehr selten treffen auf der Erde solche Teilchen einer ultra-hochenergetischen kosmischen Strahlung (UHECR) ein. Ab einer gewissen Energieschranke, bekannt als GZK-Limit, kommt es zu einem massiven Abbruch der Zahl eintreffender Teilchen, bedingt durch Energieverluste, wie sie wiederum bei Wechselwirkung mit der kosmischen Hintergrundstrahlung auftreten. Dennoch existieren superenergetische Teilchen und sie müssen einer entsprechend kraftvollen Quelle entspringen. Nur liefern offenbar nicht einmal die enorm energiereichen Supernova-Explosionen oder auch Aktive Galaxienkerne (AGN) genügend »Antrieb«. Jetzt könnte aber doch eine Erklärung gefunden worden sein, die einmal mehr zeigt, dass die Natur oft selbst die kühnste Fantasie übersteigt und genau wie im Fall des ultraschnellen Protons von Dugway einfach immer wieder mit echten Überraschungen aufwartet.
Astronomen der privaten Jacobs-Universität in Bremen, der Thüringer Landessternwarte Tautenburg sowie der niederländischen Leiden-Universität stießen nun mit Radioteleskopen auf einen schmalen, aber extrem langen Materiebogen im All, der Strahlung im Radiobereich aussendet. Er erstreckt sich über 6,5 Millionen Lichtjahre durch den Kosmos. Damit ist er rund 60-mal ausgedehnter als unser Milchstraßensystem.
Das mächtige Gebilde befindet sich am nördlichen Rand des rund 2,5 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxienhaufens CIZA J2242.8+5301. Schon länger vermuten Fachleute hier eine Besonderheit, denn die voluminöse Galaxienansammlung wirkt verzerrt und entlang einer Achse gestreckt. Alles sieht so aus, als ob sie von einem zweiten riesigen Galaxienhaufen durchdrungen wird. Diese speziellen Begegnungen sind die gewaltigsten Ereignisse im überschaubaren Universum.
Galaxien-Haufen sind eingebettet in ein dichtes Medium aus Gas. Wenn es zur Kollision zweier derartiger »Nester« von Welteninseln kommt, werden die enthaltenen Gasteilchen auf enorme Energien beschleunigt, die nirgendwo anders entstehen. Wie bei einem Überschallknall laufen dann Stoßwellen durch die Materie, lassen die Teilchen hin- und herschwingen und Strahlung aussenden.
Die neuen Funde bestätigen einige schon ältere Konzepte. Ein Ergebnis der Kollision und der folgenden Stoßwelle ist jener gigantische Materiebogen. »Allein schon aus seiner Form lässt sich augenblicklich ableiten, dass er aus einer Stoßwelle resultiert«, erläutert Reinout van Weeren von der Leiden-Universität. Eine weitere Bestätigung fanden die Astronomen am südlichen Rand des Galaxienozeans von CIZA J2242.8+5301. Dort nämlich stießen sie auf die deutliche Signatur eines kleineren Materiebogens.
Kosmische »Tsunamis« dieser ultimativen Größenordnung können nach den gegenwärtigen Berechnungen sage und schreibe über eine Milliarde Jahre hinweg existieren! Astronomie und Physik liefern immer wieder neue Überraschungen, die nicht selten auch ein völliges Überdenken althergebrachter Konzepte erforderlich machen. Das zeigen auch aktuelle Beobachtungen, denen zufolge möglicherweise eine bis dato unbekannte Teilchenart von unserer Sonne ausgesandt wird, die für eine Variabiliät von bisher für unveränderlich gehaltenen Natur-»Konstanten« verantwortlich zu sein scheint. Gerade jetzt bahnt sich insgesamt möglicherweise wieder ein Umbruch in der Physik an, der uns eine notorisch vergessene Tatsache auf ein Neues lehren dürfte: nämlich, dass unsere Konzepte von der Natur nichts mehr als Modellvorstellungen der Wirklichkeit sind. Sie werden zwar fortwährend ausgefeilter und präziser, doch die Wirklichkeit selbst werden sie dennoch nie bis ins Letzte wiedergeben können. Und genau in diesem Zwischenraum zwischen Konzept und Kosmos dürften noch einige Geheimnisse verborgen liegen.
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