[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]
Die weltweite Vereinheitlichung von Saatgut dient den Interessen der Agrarkonzerne und führt zur Entrechtung und Enteignung kleiner Landwirte auf allen Kontinenten der Erde.
Im August 2013 streikten die Bauern in Kolumbien für mehrere Wochen und stellten die Belieferung der Städte mit Nahrungsmitteln quasi ein. Zusammen mit Studenten, Indigenen und Industriearbeitern, die sich solidarisch erklärten, legten sie das Land lahm. Die Auswirkungen der Freihandelsabkommen mit den USA und Europa auf die Landwirtschaft des Landes und die Empörung über eine damit zusammenhängende Saatgutverordnung waren der zentrale Auslöser. Mit letzterer wurde selbstproduziertes Saatgut für illegal erklärt und dessen Beschlagnahmung und Zerstörung verfügt.
(Foto: In Kolumbien führten Streiks und Demonstrationen, wie hier am 29. August 2013 in Bogotá, dazu, daß ein Verbot von selbstproduziertem Saatgut erst einmal gestoppt werden konnte)
Kolumbien ist ein Beispiel dafür, wie Saatgut weltweit Schritt für Schritt privatisiert und monopolisiert wird. Dahinter stehen die Interessen der Agrarkonzerne, deren Ziel es ist, nicht nur »ihre« industriellen Sorten mit Hilfe von Rechten an geistigem Eigentum zu kontrollieren, sondern gleichzeitig auch die Alternativen, das heißt freie Sorten, ver-bieten zu lassen. Dies erfolgt, indem die jahrtausendealte Praxis, einen Teil der Ernte aufzubewahren und als Saatgut zu verwenden, per Gesetz in eine Straftat verwandelt wird.
Lateinamerika
In Kolumbien konnten starke Proteste 2012 den Beitritt des Landes zum UPOV-Ab-kommen verhindern. Der Widerstand im Sommer und Herbst des vergangenen Jahres war noch größer. Dabei ging es vor allem um die Resolution 970, die den Marktzugang von Saatgut regeln soll. Die von der Agrarbehörde, dem Instituto Colombiano Agropecuario (ICA), bereits 2010 verfaßte Resolution sieht vor, daß nur zertifizierte Sorten für den Anbau in Kolumbien erlaubt sind. Voraussetzung für eine Zertifizierung ist die Erfüllung der DUS-Kriterien, was vom ICA geprüft und registriert wird.
Die Beantragung einer Zertifizierung wiederum ist nur für eine Person möglich, die beim ICA offiziell als Züchter registriert ist.
Afrika
Afrika hat eine lange Tradition des Widerstandes sowohl gegen vorgebliche Eigentums-rechte als auch gegen gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO). Aber auf vielen Ebenen arbeiten starke Kräfte daran, das zu ändern. So versucht beispielsweise die Afrikanische Regionale Organisation für Geistiges Eigentum (ARIPO) Mechanismen zu entwickeln, die Länder dazu zwingen, dem UPOV-’91-Abkommen beizutreten. Sie sieht dies als eine wichtige Voraussetzung, um die afrikanische bäuerliche Landwirtschaft mit Hilfe einer nicht nachhaltigen sogenannten grünen Revolution »modernisieren« zu können.
Eine weitere Offensive gegen die Bauern und ihr Saatgut ist der neue überregionale Gemeinsame Markt für das Östliche und Südliche Afrika (COMESA), über dessen drohende Einführung die NGO »Third World Network« informiert. Die neuen Regelungen sehen Qualitätskontrollen und Registrierungsvorschriften vor, die sich an den DUS-Kriterien ausrichten. Genetisch uniformes, kommerziell gezüchtetes Saatgut wird so quasi als »das normale« definiert.
Europa
Entsprechend dem in Europa vor rund 100 Jahren entwickelten Beurteilungssystem und Normdenken in DUS-Kriterien, werden Samen schon lange einem Zulassungsverfahren unterzogen, bevor sie in eine Sortenliste eingetragen und gehandelt werden dürfen.5 Bis vor kurzem waren traditionelle und bäuerliche Sorten von diesen Marktzugangsregeln nicht betroffen. Doch mit der Überarbeitung der EU-Saatgutgesetze soll sich das ändern.
Im Mai 2013 hatte die EU-Kommission ihren Vorschlag nach fast fünf Jahren ver-öffentlicht. Dieser wird aktuell diskutiert. Eine Entscheidung wird für Anfang 2014 erwartet.
Laut diesem Entwurf soll das Marktzulassungssystem mit DUS-Kriterien künftig auch für bäuerliches Saatgut und Erhaltungssorten gelten – nur nicht so streng, weil sie den Kriterien ja eigentlich nicht entsprechen. Außerdem wird ihre Registrierung in einer Erhaltungssortenliste vorgeschrieben. Trotz möglicher Ausnahmeregelungen, erschwert die geplante Neuregelung die Bewahrung biologischer Sortenvielfalt durch hohen büro-kratischen Aufwand, mehr Kosten, Mengenbeschränkungen und vielfältige Reglementi-erungen. Aber selbst diese kleine Nische gibt es möglicherweise doch nicht. Der als Berichterstatter für das EU-Parlament bestimmte Italiener Sergio Silvestris hat in seinem Entwurf für die Stellungsnahme des Parlamentes bestehende Ausnahmen für heterogenes Material gestrichen.
Treibende Kräfte
Die Angriffspunkte zur Enteignung und Entrechtung von Landwirten und Bauern sind zahlreich. Industriefreundliche Akteure, nicht nur Konzernvertreter und deren Lobby-vereine, sondern auch Politiker, Diplomaten und sich philanthrop gebende Stiftungen, gehen je nach Land und Region unterschiedlich vor. Gibt es gegen Patente größeren Widerstand, steigt der Druck auf das Land, das UPOV-’91-Abkommen zu unterzeichnen. Außerdem dienen GVO häufig als Türöffner für die Einführung von Gesetzen zum Schutz des »geistigen Eigentums« auf anderen Gebieten.
Widerstand lohnt sich
Die Verknüpfung der Marktzugangsregeln mit den biodiversitätsfeindlichen DUS-Kriterien hat fatale Auswirkungen für die biologische Vielfalt auf dem Acker und be-deutet eine gravierende Herabstufung traditioneller Sorten in ökonomischer Hinsicht. An die Stelle des ursprünglichen UPOV-Abkommens, bei dem eine Qualitätssicherung des Saatguts noch im Vordergrund stand, ist eine Regulierung getreten, die ein starkes Instrument zum Ausbau der Monopolmacht der Konzerne ist, das zusammen mit Marktzugangs- und Handelsgesetzen den Bauern ihre traditionelle Arbeitsweise und die eigenen Produktionsmittel illegalisiert und damit die weltweite Durchsetzung eines globalen Saatgutmarkts und des industriellen Landwirtschaftsmodells forciert.
Weiterlesen...
Die weltweite Vereinheitlichung von Saatgut dient den Interessen der Agrarkonzerne und führt zur Entrechtung und Enteignung kleiner Landwirte auf allen Kontinenten der Erde.
Im August 2013 streikten die Bauern in Kolumbien für mehrere Wochen und stellten die Belieferung der Städte mit Nahrungsmitteln quasi ein. Zusammen mit Studenten, Indigenen und Industriearbeitern, die sich solidarisch erklärten, legten sie das Land lahm. Die Auswirkungen der Freihandelsabkommen mit den USA und Europa auf die Landwirtschaft des Landes und die Empörung über eine damit zusammenhängende Saatgutverordnung waren der zentrale Auslöser. Mit letzterer wurde selbstproduziertes Saatgut für illegal erklärt und dessen Beschlagnahmung und Zerstörung verfügt.
(Foto: In Kolumbien führten Streiks und Demonstrationen, wie hier am 29. August 2013 in Bogotá, dazu, daß ein Verbot von selbstproduziertem Saatgut erst einmal gestoppt werden konnte)
Kolumbien ist ein Beispiel dafür, wie Saatgut weltweit Schritt für Schritt privatisiert und monopolisiert wird. Dahinter stehen die Interessen der Agrarkonzerne, deren Ziel es ist, nicht nur »ihre« industriellen Sorten mit Hilfe von Rechten an geistigem Eigentum zu kontrollieren, sondern gleichzeitig auch die Alternativen, das heißt freie Sorten, ver-bieten zu lassen. Dies erfolgt, indem die jahrtausendealte Praxis, einen Teil der Ernte aufzubewahren und als Saatgut zu verwenden, per Gesetz in eine Straftat verwandelt wird.
Lateinamerika
In Kolumbien konnten starke Proteste 2012 den Beitritt des Landes zum UPOV-Ab-kommen verhindern. Der Widerstand im Sommer und Herbst des vergangenen Jahres war noch größer. Dabei ging es vor allem um die Resolution 970, die den Marktzugang von Saatgut regeln soll. Die von der Agrarbehörde, dem Instituto Colombiano Agropecuario (ICA), bereits 2010 verfaßte Resolution sieht vor, daß nur zertifizierte Sorten für den Anbau in Kolumbien erlaubt sind. Voraussetzung für eine Zertifizierung ist die Erfüllung der DUS-Kriterien, was vom ICA geprüft und registriert wird.
Die Beantragung einer Zertifizierung wiederum ist nur für eine Person möglich, die beim ICA offiziell als Züchter registriert ist.
Afrika
Afrika hat eine lange Tradition des Widerstandes sowohl gegen vorgebliche Eigentums-rechte als auch gegen gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO). Aber auf vielen Ebenen arbeiten starke Kräfte daran, das zu ändern. So versucht beispielsweise die Afrikanische Regionale Organisation für Geistiges Eigentum (ARIPO) Mechanismen zu entwickeln, die Länder dazu zwingen, dem UPOV-’91-Abkommen beizutreten. Sie sieht dies als eine wichtige Voraussetzung, um die afrikanische bäuerliche Landwirtschaft mit Hilfe einer nicht nachhaltigen sogenannten grünen Revolution »modernisieren« zu können.
Eine weitere Offensive gegen die Bauern und ihr Saatgut ist der neue überregionale Gemeinsame Markt für das Östliche und Südliche Afrika (COMESA), über dessen drohende Einführung die NGO »Third World Network« informiert. Die neuen Regelungen sehen Qualitätskontrollen und Registrierungsvorschriften vor, die sich an den DUS-Kriterien ausrichten. Genetisch uniformes, kommerziell gezüchtetes Saatgut wird so quasi als »das normale« definiert.
Europa
Entsprechend dem in Europa vor rund 100 Jahren entwickelten Beurteilungssystem und Normdenken in DUS-Kriterien, werden Samen schon lange einem Zulassungsverfahren unterzogen, bevor sie in eine Sortenliste eingetragen und gehandelt werden dürfen.5 Bis vor kurzem waren traditionelle und bäuerliche Sorten von diesen Marktzugangsregeln nicht betroffen. Doch mit der Überarbeitung der EU-Saatgutgesetze soll sich das ändern.
Im Mai 2013 hatte die EU-Kommission ihren Vorschlag nach fast fünf Jahren ver-öffentlicht. Dieser wird aktuell diskutiert. Eine Entscheidung wird für Anfang 2014 erwartet.
Laut diesem Entwurf soll das Marktzulassungssystem mit DUS-Kriterien künftig auch für bäuerliches Saatgut und Erhaltungssorten gelten – nur nicht so streng, weil sie den Kriterien ja eigentlich nicht entsprechen. Außerdem wird ihre Registrierung in einer Erhaltungssortenliste vorgeschrieben. Trotz möglicher Ausnahmeregelungen, erschwert die geplante Neuregelung die Bewahrung biologischer Sortenvielfalt durch hohen büro-kratischen Aufwand, mehr Kosten, Mengenbeschränkungen und vielfältige Reglementi-erungen. Aber selbst diese kleine Nische gibt es möglicherweise doch nicht. Der als Berichterstatter für das EU-Parlament bestimmte Italiener Sergio Silvestris hat in seinem Entwurf für die Stellungsnahme des Parlamentes bestehende Ausnahmen für heterogenes Material gestrichen.
Treibende Kräfte
Die Angriffspunkte zur Enteignung und Entrechtung von Landwirten und Bauern sind zahlreich. Industriefreundliche Akteure, nicht nur Konzernvertreter und deren Lobby-vereine, sondern auch Politiker, Diplomaten und sich philanthrop gebende Stiftungen, gehen je nach Land und Region unterschiedlich vor. Gibt es gegen Patente größeren Widerstand, steigt der Druck auf das Land, das UPOV-’91-Abkommen zu unterzeichnen. Außerdem dienen GVO häufig als Türöffner für die Einführung von Gesetzen zum Schutz des »geistigen Eigentums« auf anderen Gebieten.
Widerstand lohnt sich
Die Verknüpfung der Marktzugangsregeln mit den biodiversitätsfeindlichen DUS-Kriterien hat fatale Auswirkungen für die biologische Vielfalt auf dem Acker und be-deutet eine gravierende Herabstufung traditioneller Sorten in ökonomischer Hinsicht. An die Stelle des ursprünglichen UPOV-Abkommens, bei dem eine Qualitätssicherung des Saatguts noch im Vordergrund stand, ist eine Regulierung getreten, die ein starkes Instrument zum Ausbau der Monopolmacht der Konzerne ist, das zusammen mit Marktzugangs- und Handelsgesetzen den Bauern ihre traditionelle Arbeitsweise und die eigenen Produktionsmittel illegalisiert und damit die weltweite Durchsetzung eines globalen Saatgutmarkts und des industriellen Landwirtschaftsmodells forciert.
Weiterlesen...