Erst die Banken retten, dann Europa, dann die Lebensversicherer, dann den Euro - und zuguterletzt stellt sich raus: Sie retten doch nur ihren eigenen Hals. Im Jahr fünf der Gigantenkrise, die ehemals sogar schlimmer war als die Ukraine-Krise, ist die Spitzenpolitik wieder dort angekommen, wo sie angefangen hat: Im Juli 2009 veranlasste die Bundesregierung die Commerzbank in einer Nacht- und Nebelaktion, die Dresdner Bank - eine Art Bad Bank der Allianz - von dem Lebensversicherer zu kaufen, um die Gefahr eines Zusammenbruchs der größten deutschen Versicherung abzuwenden. Die Bundesregierung bezahlte mit der Zusicherung, alle Verluste, die der ohnehin wackligen Commerzbank aus dieser ungewollten Erwerbung entstehen würden, zu übernehmen.
Die Bundesregierung hatte womöglich damals schon einen Plan in der Tasche. Durch eine gezielte Deflationierung der europäischen Staatsschulden bei gleichzeitiger Ausdehnung der Geldmenge sollte die Kreditbelastung für die öffentliche Hand gemindert werden, indem auf der anderen Seite die Guthaben und Einnahmen der Vermögensbesitzer geschrumpft wurden. Das Bestechende an diesem Konzept: Niemand bemerkte etwas, weil die Rechnung für den Rettungszauber nicht auf den Tisch gelegt, sondern der fällige Betrag aus den Sparbüchsen der Bürger stibitzt wurde.
Eine Enteignung, die mathematisch nötig war, weil die Kredite der einen schon immer die Guthaben der anderen waren. Die aber andererseits nicht öffentlich so genannt werden konnte, weil das wenig populär gewesen wäre. Erst nach dem Rausch der Europawahl, vor der sämtliche Blockparteien den Eindruck erweckt hatten, als sei Europa für ein Kleingeld gerettet worden, trudeln nun langsam die Mahnungen ein: Zinsen werden abgeschafft, Geldbesitz wird mit einer neuen Strafsteuer belegt und wer über 20, 30 Jahre lang in eine Lebensversicherung gespart hat, muss sich von der Erwartung verabschieden, am Ende den versprochenen Ertrag zu erhalten.
Verpackt in ein Paket, das angeblich dem Schutz der Versicherten dient, geht die Bundesregierung zur offenen Enteignung über. Weil die zur Beruhigung der Staatsschuldenkrise verhängten Mini-Verzinsungen nicht mehr ausreichen, die von den Versicherern auf staatliche Weisung versprochenen Garantieverzinsungen zu erwirtschaften, bestimmt ein "Reformpaket zur Stabilisierung der Lebensversicherer", dass Altkunden, auf deren Versicherungskonten sich noch Gewinnbeteiligungsansprüche aus Zeiten befinden, in denen die Zinsen hoch waren, ihre Gewinne mit später hinzugekommenen Kunden teilen müssen, deren Verträge dank der EZB-Niedrigzinspolitik keine Chance mehr haben, den staatlich geforderten Garantiezins zu erwirtschaften.
Nach dem Lehrbuch für Krisen-PR darf ein solch schwerwiegender Eingriff in eigentlich grundgesetzlich garantierte Eigentumsrechte natürlich freundlich verbrämt werden. "Bundesregierung stärkt Lebensversicherer" schreibt denn auch die Hannoversche Allgemeine, von "Änderungen bei der Lebenesversicherung" weiß der "Stern" zu berichten und von einem "Beschluss zu Lebensversicherungen" will die "Kölnische Rundschau" erfahren haben.
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