Informationsstelle Militarisierung (IMI) schrieb:Su-24 Abschuss: De facto Angriff auf die Anti-IS-Koalition?
Während die Türkei behauptet, das russische Su-24-Kampfflugzeug habe ihren Luftraum verletzt und sei aus diesem Grund gestern abgeschossen worden, wird dies von Moskau vehement bestritten. Laut Russland.ru habe sich die NATO – trotz einiger Warnungen, es nun nicht zu einer „Eskalation“ kommen zu lassen – weitgehend der türkischen Sichtweise angeschlossen: „Die NATO glaubt der Türkei, dass die russische Su-24 den türkischen Luftraum verletzt habe. Diese Version werde auch von anderen Verbündeten unterstützt, so NATO-Generalsekretär Stoltenberg auf der auf Betreiben der Türkei einberufenen NATO-Sondersitzung.“ Auch US-Präsident Barack Obama ließ keine Zweifel über seine Sicht der Dinge aufkommen, als er angab, die Türkei habe „wie jedes Land das Recht, seinen Luftraum zu verteidigen.“
Allerdings, worauf etwa die Propagandaschau richtigerweise hinweist, ist diese Frage ohnehin müßig, da es weitgehend unstrittig ist, dass das Flugzeug schließlich über syrischem Territorium abgeschossen wurde: „Für die Bewertung der Legitimität des Abschusses ist einzig und allein von Bedeutung, wo genau dieser Abschuss geschehen ist. Selbst wenn der russische Jet tatsächlich den türkischen Luftraum zuvor verletzt haben sollte, legitimiert dies keinen Abschuss über syrischem Hoheitsgebiet, wo das russische Militär vollkommen legitim nach internationalem Recht operiert. Hätte die Türkei das Flugzeug tatsächlich über Syrien abgeschossen, ist sie es – wohlgemerkt ein NATO-Staat -, die den syrischen Luftraum verletzte und einen Akt militärischer Aggression ausübte.“
Möglich ist tatsächlich auch die Interpretation, dass sich die SU-24 nur extrem kurze Zeit auf türkischem Territorium befand, der Schießbefehl in dieser Phase gegeben wurde und das Flugzeug dann über syrischem Gebiet getroffen wurde. Dies legen – sofern authentisch – von CNN Türk wohl durch das türkische Militär zugespielte Radar-Plots nahe, die angeblich die Flugbahnen der beteiligten Flugzeuge zeigen. Auf Basis dieser Meldung befragte aber Spiegel Online einen Ex-„Tornado“-Flieger, ob das das „übliche“ Prozedere sei, in solch einem Fall gleich die Schießfreigabe zu erteilen: „Sollte sich der russische Jet nur wenige Sekunden über der Türkei befunden haben, ‚wäre der Abschuss schon eine ziemliche Cowboy-Aktion gewesen.‘“
Selbst wenn also die – weiterhin nicht gesicherte – türkische Behauptung zutreffen würde, es habe eine kurzzeitige Verletzung des Luftraums stattgefunden, ist dies noch lange kein Grund, ein Flugzeug zum Abschuss freizugeben. Dies scheint sogar in Teilen der NATO so gesehen zu werden – allerdings hinter vorgehaltener Hand. So heißt es etwa beim deutschen Vineyard of the Saker: „Pepe Escobar zitiert auf seinem FB-Account eine Reuters-Meldung vom NATO-Treffen: ‚Diplomaten, die bei dem Treffen anwesend waren, sagten zu Reuters, dass, obwohl keiner der 28 NATO-Botschafter Russlands Handlungen verteidigte, viel ihre Sorge darüber ausdrückten, dass die Türkei das russische Kampfflugzeug nicht aus ihrem Luftraum hinaus begleitet hat. ‚Es gibt andere Methoden, mit solcher Art Vorfällen umzugehen,‘ sagte ein Diplomat, der seinen Namen nicht nennen wollte”.
Denn dass die Türkei tatsächlich, wie von ihr behauptet und von den USA bestätigt, die russischen Piloten zehnmal gewarnt hat, glaubt kein Mensch. So äußerte sich der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur a.D. Harald Kujat in Deutschlandradio Kultur: „Wenn die russischen Piloten die syrisch-türkische Grenze überflogen haben und danach fünf Minuten lang zehnmal gewarnt worden, dann wären sie also mindestens vierzig, fünfzig, wenn nicht mehr Kilometer in den türkischen Luftraum eingedrungen. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Es gibt also hier durchaus Erklärungsbedarf.“
Was die Türkei zu diesem halsbrecherischen Schritt bewogen hat, darüber kann nur spekuliert werden. Die Vermutung liegt aber nahe, dass der Angriff mit dem russischen Vorgehen gegen den „Islamische Staat“ und ihm nahestehende Gruppen zusammenhängt. Schließlich wird die Terrororganisation seit Langem auf verschiedensten Ebenen seitens der Türkei unterstützt, wie etwa detailliert in einem Papier der Columbia University beschrieben wird. Insofern könnte die ganze Aktion durchaus ein gezielter Schritt gewesen sein, die sich seit einiger Zeit unter Einschluss Russlands zusammenschiebende Anti-IS-Koalition buchstäblich zu torpedieren. Denn hierdurch war auch die Türkei unter zunehmenden Druck geraten, endlich von seiner Unterstützung des IS abzurücken. Sollte dies das Kalkül gewesen sein, so deutet laut Süddeutscher Zeitung einiges darauf hin, dass Ankara damit „Erfolg“ haben dürfte: „Seit den Attentaten von Paris läuft eine neue Initiative, die Kräfte zu bündeln und Russland einzubeziehen. Lange hielt die vorsichtige Annäherung nicht, nach dem Abschuss der russischen SU-24 an der syrisch-türkischen Grenze steht sie schon wieder infrage. […] Am [25.11.2015] wollte Lawrow eigentlich nach Istanbul fahren, um mit der Türkei über den Kampf gegen den IS zu sprechen. Der Besuch ist abgesagt, die Annäherung damit beendet, bevor sie überhaupt richtig begann.“
Es bleibt ein letzter, beunruhigender Aspekt: So weist der ehemalige stellvertretende US-Finanzminister und heutige scharfe Kritiker der US-Außenpolitik, Paul Craig Roberts, darauf hin, dass es unwahrscheinlich ist, dass sich die Türkei in dieser Sache nicht der Rückendeckung der USA sicher sein konnte – die dann ja auch prompt kam. Sollte diese Einschätzung zutreffen, liegt weiter der Verdacht nahe, dass Washington ebenso wie die Türkei auf eine „Fokusverlagerung“ der Kriegführung in Syrien abzielen: Weg von der Bekämpfung des „Islamischen Staates“ und (erneut) hin zum Sturz der Assad-Regierung: „Der unprovozierte Abschuss eines russischen Militärflugzeugs über Syrien lässt interessante Fragen aufkommen. Es scheint unwahrscheinlich, dass die türkische Regierung eine kriegerische Handlung gegen einen viel mächtigeren Nachbarn setzt, ohne dass Washington den Angriff genehmigt hat. Die Regierung der Türkei ist nicht sehr kompetent, aber sogar die Inkompetenten sind nicht so dumm, dass sie sich in eine Lage bringen, in der sie allein Russland gegenüberstehen. […] Washington hat von Beginn an klar gemacht, dass Washingtons Schwerpunkt darauf liegt, Assad zu stürzen und nicht ISIS. Ungeachtet der angeblichen Attacke gegen Frankreich durch ISIS sagte der Pressesprecher des Außenministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika Admiral John Kirby, dass Russland kein Mitglied der Koalition gegen ISIS sein kann, solange Russland nicht aufhört, Assad zu unterstützen.“
QUELLE
Also soll jetzt der IS bekämpft werden oder nicht??? Seit wann ist Assad mit IS verbündet??? Ich dachte die IS wäre der Grund, weshalb Assad überhaupt Putin um Hilfe bat und Unterstützung wollte!
berichten oder blicken sie selbst nicht mehr durch.