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Riesenplanet Tyche – geheimnisvoll und übersehen
Astronomen glauben,
einen neuen Planeten im Sonnensystem entdeckt zu haben.
Doch wieso wurde der Planet bisher übersehen?
Ein Weltraumteleskop soll Klarheit schaffen.
Er ist so riesig, dass man sich fragt,
wie die Astronomen ihn bisher übersehen konnten:
Vier Mal so groß wie unserer bislang größter Planet, der Jupiter,
und mit einem Durchmesser von knapp 150.000 Kilometern fast
zwölfmal größer als die Erde, kreist er am Rande unseres Sonnensystems.
"Tyche" soll 15.000-mal so weit entfernt von der Sonne sein wie die Erde.
Nach Auffassung Astrophysiker John M und Daniel W könnte
der Riesenplanet hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium bestehen
und einen dem Jupiter vergleichbaren Aufbau besitzen.
„Tyche“ nennen die US-Forscher den riesigen neuen Planeten,
den sie glauben, jetzt entdeckt zu haben.
Er versteckt sich in einem Bereich unseres Sonnensystems,
der bis jetzt kaum erforscht ist.
Bisher sind es nur erste Hinweise auf seine Existenz,
von denen die beiden Astrophysiker John M und Daniel W
von der Universität Lousiana berichten –
aber schon im April könnten weitere Messungen endgültig Klarheit bringen,
ob die beiden tatsächlich einen neuen,
um unsere Sonne kreisenden Riesen-Planeten entdeckt haben,
wie sie jetzt in der Februar-Ausgabe von „Icarus“,
einer Fachzeitschrift der American Astronomical Society berichten.
„Wir werden Purzelbäume schlagen“, versprachen die beiden Astrophysiker,
„und das ist in unserem Alter gar nicht so einfach.“
Der neue Gigant soll ebenso wie Jupiter mit seinem berühmten Roten Fleck –
einem gewaltigen Sturmgebiet – über Flecken, Ringe, eine Atmosphäre,
Wetter und Wolken verfügen und hauptsächlich
aus Wasserstoff und Helium bestehen.
„Sicher hat er auch Monde“,
vermutet Daniel W, „alle unsere Äußeren Planeten haben sie ja.“
Warum sich der Planeten-Riese,
benannt nach der griechischen Schicksals- und Glücks-Göttin,
trotz seiner enormen Größe bislang versteckt halten konnte?
Die beiden Wissenschaftler erklären das mit seiner enormen Distanz.
Er sei 15.000 Mal weiter von der Sonne entfernt als unsere Erde,
die im Abstand von 150 Millionen Kilometern um unser Tagegestirn kreist.
Das Sonnenlicht, das es in etwa acht Minuten bis zu Erde schafft,
wäre also zu dem fernen Planeten-Giganten fast ein Vierteljahr unterwegs.
Von Sonnenschein kann also dort nicht mehr die Rede sein.
Tyche wird nicht mehr von außen beleuchtet,
anders als die uns altbekannten acht Planeten – den neunten,
Pluto, hat die Internationale Astronomische Union (IAU)
mittlerweile zum „Zwerg-Planeten“ degradiert.
Da der Gasriese andererseits mit
minus 73 Grad Celsius auch selbst kein Licht abstrahlt,
bleibt er im Dunkeln und ist mit „normalen“,
optischen Teleskopen daher auch nicht aufzuspüren.
So schließen M und W denn auch nur aufgrund von
Bahndaten anderer Himmelskörper
auf die Existenz ihres mysteriösen Großplaneten.
Was den beiden amerikanischen Astronomen auffiel,
sind die seltsamen Bahnen bestimmter Kometen.
Sie kommen aus dem äußeren Bereich der „Oortschen Wolke“ –
so benannt nach dem niederländischen Astronomen Jan Hendrik Oort.
Der Holländer kam schon 1950 zu der etwas überraschenden Überzeugung,
dass es eigentlich gar keine Kometen mehr geben dürfe.
Denn jedes Mal, wenn diese geschweiften Himmelskörper
auf ihrer Umlaufbahn der Sonne nahe kämen,
verdampft etwas von ihrer Materie –
deutlich erkennbar am Kometen-Schweif.
Zusätzlich nimmt die Sonne sie dann jeweils auch noch
kräftig mit ihrer Partikel-Strahlung unter Beschuss.
Logische Folge:
Die Kometen brauchen sich sozusagen im Laufe der Zeit auf.
Sie müssten nach den früher geltenden Theorien längst verschwunden sein. Sind sie aber nicht.
Woher kommt also der Kometen-Nachschub?
Oort spekulierte, dass es weit draußen,
am äußersten Rande unseres Sonnensystems,
zu dem das Licht der Sonne mehr als ein Jahr braucht,
eine gewaltige Kometen-Wolke gebe, die sich aus Gesteins-,
Eis- und Staubbrocken verschiedenster Größe zusammensetze.
Dieses, unser Sonnensystem umgebende himmlische Trümmerfeld –
bezeichnet die moderne Astronomie als Oortsche Wolke.
Aus dem äußeren Bereich dieser Wolke rolle
der Kometen-Nachschub, glaubt Oort.
Immer wieder würden sich größere Brocken herauslösen und
in den inneren Bereich des Sonnensystems „abstürzen“.
Viele dieser Kometen schleudern in unser Sonnensystem auf Bahnen herein,
die mit den bisher gültigen Theorien nicht erklärt werden können –
allerdings wunderbar ins Bild passen,
wenn man einen Großplaneten
wie Tyche ins Spiel bringt.
Der nämlich würde mit seiner Gravitationskraft den eigenartigen
Schleuderkurs dieser Kometen hundertprozentig erklären können.
„Einige Kometen aus der Oortschen Wolke weichen eigenartig
von der Bahn ab“,
sagt Whitmire,
„diese Abweichungen könnten Anzeichen für einen Planeten sein.“
Mit dieser Ansicht stößt er jedoch bei manchen Kollegen auf Bedenken.
Für sie ist der geheimnisvolle Riesenplanet nicht mehr als ein Denkmodell.
„M sieht einfach nur auffallend viele Kometen von einer ganz
bestimmten Stelle hereinkommen“, moniert etwa auch Hal L,
Planeten-Wissenschaftler am Southwest Research Institute in Colorado,
„er führt das auf Gravitations-Effekte eines großen Planeten zurück.
Ich habe nichts gegen diese Idee.
Doch das Signal, das er sehen will, ist doch sehr schwach.
Ich bin nicht sicher, ob es von statistischer Signifikanz ist.“
Matese selbst hält das Wissen aus zwei
Jahrhunderten Weltraum-Beobachtung dagegen:
Schließlich sei er nicht der erste, der einen Anomalie beobachte,
schon seit dem 18.Jahrhundert werde von jener Unregelmäßigkeit berichtet,
die auf Tyche schließen lasse, meint er, „die Wahrscheinlichkeit,
dass es sich um einen statistischen Fehler handele, bleibt damit sehr klein.“
Oliver Hainaut wiederum, Astronom an der Europäischen Südsternwarte ESO,
meint: „Es ist eine wunderbare Idee, auf jeden Fall untersuchungswertwert.“
Theoretisch und rechnerisch passt also der neue kosmische
Wunderknabe hervorragend ins Spiel.
Gesehen hat den Jupiter-ähnlichen Riesen-Planeten allerdings noch niemand,
weder Mensch noch Satellit.
Doch das könnte sich jetzt ändern.
Denn seit dem 14. Dezember 2009
ist ein Himmelsspäher besonderer Art unterwegs,
der im Infrarot-Bereich arbeitende Weltraum-Aufklärer Wise (Wide-field Infrared Survey Explorer).
Er hat die Aufgabe, Millionen von Himmelskörpern aufzunehmen
und damit eine Himmelskarte von bislang unerreichter Präzision zu ermöglichen.
„Das letzte Mal, dass wir den ganzen Himmel im Infrarot-Bereich
kartographiert haben, war vor 26 Jahren“,
meinte Wise-Chefwissenschaftler
Edward W beim Start,
„seither hat sich die Infrarot-Technologie extrem weiterentwickelt“.
Die damaligen Infrarot-Aufnahmen des Himmels glichen eher impressionistischen Gemälden.
Was wir jetzt machen, sieht dagegen tatsächlich wie Fotos aus.“
Inzwischen warten Astronomen in aller Welt gespannt auf den April,
der vielleicht schon die Lösung des kosmischen Rätsels bringen könnte.
Ein erster Schwung von Daten, die Wise zwischen dem
14. Januar 2010 und 29. April 2010 aufgezeichnet hat,
sind inzwischen bearbeitet worden.
Sie sollen im April erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Dabei wird sich zeigen, ob sich vielleicht schon auf diesen
ersten Wise-Aufnahmen Spuren des neuen Super-Planeten abzeichnen.
M und W glauben, es werde bis zu zwei Jahre dauern,
bis man Gewissheit haben könne.
„Wenn es wirklich einen gigantischen Gas-Planeten in den äußeren
Bezirken unseres Sonnen-Systems gibt“,
heißt es unterdessen im Jet Propulsion Laboratory
der Nasa in Pasadena/Kalifornien,
„könnte er sich jetzt in den von Wise gelieferten Daten finden lassen.“
Doch selbst, wenn dieser Glücksfall eintreten würde –
ein in extremer Entfernung
um die Sonne kreisender Tyche würde nicht
automatisch zum neunten Planeten
unseres Sonnensystems avancieren.
Denn inzwischen ist das Planeten-Karussell in Unordnung geraten.
Schuld daran ist ein Mann, der ursprünglich aufgebrochen war,
den legendären zehnten Planeten zu finden.
Der Astronom Mike B vom Caltec (California Institute of Technology) machte eine Reihe von kleineren Himmelskörpern aus,
die wie Planeten um unsere Sonne kreisen und in
die Größenklasse des Pluto gehören –
oder ihn sogar noch übertreffen.
So fand B zwar nicht den legendären zehnten Planeten – bereitete aber dem neunten das Ende:
Für seinen entdeckten Mini-Planet Eris wurde die neue Kategorie der „Zwergplaneten“ eingerichtet – in die 2006 dann auch der kleinere Pluto eingestuft wurde.
Der neunte Platz auf der Planeten-Rangliste ist also wieder frei.
Für Tyche? Es ist nicht auszuschließen, dass der Planeten-Gigant gar nicht
in unserem Sonnensystem entstand –
sondern von ihm nur eingefangen wurde.
Und so wird inzwischen bereits über die
Einführung einer weiteren Planeten-Klasse gedacht:
Die für eingefangene Fremdlinge.
http://www.independent.co.uk/news/science/up-telescope-search-begins-for-giant-new-planet-2213119.html
http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/02/tyche-ein-bisher-unbekannter-planet-im-sonnensystem.php