Analyse. Der Lissabon-Vertrag ist durchgedrückt, zwei harmlose Politiker sind in führende Unionsämter gehoben - jetzt können die tonangebenden EU-Staaten mit der Installation eines Europäischen Auswärtigen Dienstes die Militarisierung der Außenpolitik vorwärtstreiben
Mit dem am 1.Dezember in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon soll die Europäische Union ein Gesicht in der Welt erhalten. Mit der Ernennung des Belgiers Hermann van Rompuy zum EU-Ratspräsidenten und der Britin Catherine Ashton zur Hohen Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik werden beide künftig auf internationalen Gipfeltreffen zusammen mit dem EU-Kommissionspräsidenten José Barroso auftreten. Dazu kommen die Initiativen der halbjährlich wechselnden Ratspräsidentschaft, die ab dem 1. Januar 2010 Spanien innehaben wird. Es gibt also vier Führungsspitzen. Das ist ein Zeichen dafür, daß weder klare Verantwortlichkeiten noch eine demokratische Kontrolle die europäische Außen- und Sicherheitspolitik in Zukunft prägen werden.
Der Hohen Vertreterin soll der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) unterstehen. Bis April 2010 wird von Asthon ein Vorschlag für den EAD erwartet. Noch ist alles Zukunftsmusik, aber der Rahmen ist bereits abgesteckt. Und in der Bundesrepublik wird auf hohem Niveau gejammert, der eigentlich erwünschte finanzielle Aufwuchs des EAD könne erst ab 2014 kommen, so CDU-Europapolitiker. Bis dahin könne es leider nur um wenige Personalstellen mehr gehen. Nach Angaben des Handelsblatts haben sowohl das Auswärtige Amt als auch das Wirtschafts- und Verteidigungsministerium Interesse angemeldet, Beamte in den EAD zu entsenden.
Ziel ist es, die »Schlagkraft« der Europäischen Union in Zeiten zunehmender machtpolitischer Auseinandersetzungen über die Bündelung von Kompetenzen in den Personalstellen deutlich zu erhöhen. Gerade die Eifersüchteleien zwischen der Kommission, bei der große Teile der »zivilen« Außenpolitik angesiedelt waren, und dem Rat, der für zivile und militärische Einsätze zuständig war, hatten eine »Machtpolitik aus einem Guß« erheblich beeinträchtigt. Dies wird sich nun mit dem neuen Posten des Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik ändern, mit dem diese hinderliche Trennung aufgelöst wird. So heißt es in einem parlamentarischen Gutachten: »Damit wird er (der Hohe Vertreter - M. H.) einerseits für die Festlegung und Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) zuständig sein, andererseits soll er innerhalb der Kommission mit deren Zuständigkeiten im Bereich der Außenbeziehungen und mit der Koordinierung der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns der EU betraut sein.«
Allerdings sind Rompuy und Ashton wenig profiliert; sie sind gleichsam Pappkameraden, hinter denen die EU-Bürokratie und die großen EU-Mitgliedsstaaten Deutschland, Großbritannien und Frankreich stehen. Sie werden künftig das Sagen haben und die Apparate unter sich aufteilen. Vor allem durch die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) wird die europäische Außen- und Sicherheitspolitik völlig neu aufgestellt. Er soll künftig nahezu sämtliche zivilen und militärischen Machtkapazitäten der EU in sich vereinigen und so als Verstärkung nationalstaatlicher Interessenvertretung fungieren. Dieser Dienst ist eines der Umsetzungsprojekte des Vertrags von Lissabon, die jetzt erst wieder in Fahrt kommen, nachdem sie, solange das Ratifizierungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, jahrelang auf Eis lagen.
Lissabon-Vertrag macht Weg frei
Es ist kein Zufall, daß dem EAD oberste Priorität zukommt. Der Rat hatte auf seiner Tagung vom 17. November 2009 die Erklärung mit dem Titel »Zehn Jahre ESVP - Herausforderungen und Chancen« verabschiedet, um zu feiern, daß- unter Verweis auf die Balkankriege - »der Europäische Rat auf dem Kölner Gipfel vom Juni 1999 den historischen Beschluß gefaßt« hat, »die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) als Komponente der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in die Wege zu leiten«. Seit 1999, so verkündete man stolz, habe man nicht nur »über 22 ESVP-Missionen und -Operationen in drei Kontinenten eingeleitet, die das gesamte Spektrum der Aufgaben der Konfliktverhütung, der Krisenbewältigung und der Friedenskonsolidierung nach Konflikten abdecken, sondern auch unsere Arbeitsstrukturen reformiert, unsere Planungskapazität ausgearbeitet und weiterentwickelt, unsere Krisenbewältigungs- und Krisenreaktionsfähigkeit verbessert und unsere Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern und beitragenden Drittstaaten intensiviert«.
Ohne Umschweife wird dem Publikum in der Erklärung zu dem Jubiläum bedeutet, warum der Vertrag von Lissabon derart wichtig für die Militarisierung der EU ist: »Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird durch eine weitere Verstärkung des gemeinsamen institutionellen Rahmens ein neues Kapitel in der Geschichte der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU aufgeschlagen.« Die Herzstücke dieser Militarisierung sind der Hohe Vertreter und der ihm unterstellte EAD: »Das neue Amt des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der durch den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) unterstützt wird, wird die Effektivität, auch im ESVP-Bereich, erheblich verbessern.« Und dies soll erst der Anfang sein: »Wir werden nunmehr darauf hinarbeiten, der ersten Inhaberin dieses Amtes eine starke, effiziente und sichtbare Rolle zu sichern. Wir werden entsprechend den Erfordernissen konkrete Schritte ergreifen, um alle Bestimmungen und Artikel des Vertrags von Lissabon, die für die GSVP von Bedeutung sind, umzusetzen«, heißt es in dem EU-Dokument.
Sicherheitspolitik soll dabei im Zentrum europäischer Außenpolitik stehen, nicht nur konzeptionell, sondern ebenso institutionell: »Bei der Errichtung des EAD werden wir auch darauf achten, die Wirksamkeit unserer Arbeitsstrukturen zur Planung und Durchführung unserer Krisenbewältigungsmissionen und -operationen zu verbessern. Der EAD wird unter der Leitung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auch für engere Verbindungen zu anderen Instrumenten und Maßnahmen der Europäischen Union sorgen.«
Bereits während der Vorläufer des Lissabonner Vertrags, der EU-Verfassungsvertrag, konzipiert wurde, war die Aufstellung des EAD die zentrale Idee für den Umbau der EU-Außen- und Sicherheitspolitik. Ideengeber war das Auswärtige Amt. Noch unter Außenminister Joseph Fischer (Die Grünen) machten sich die Deutschen im Konventsprozeß für den EAD stark. Ursprünglich sollte er einem starken EU-Außenminister untergeordnet werden, der noch weitreichendere Vollmachten als der jetzige »Hohe Vertreter« gehabt hätte. Von vornherein war allerdings die Schaffung einer mächtigen zentralistischen Bürokratie vorgesehen, die als Verstärker nationalstaatlicher Interessen der großen Mitgliedsstaaten und damit auch Deutschlands dienen sollte.
Geringe demokratische Kontrolle
Formal ist in Artikel 27, Absatz 3 des Vertrags von Lissabon festgehalten: »Bei der Erfüllung seines Auftrags stützt sich der Hohe Vertreter auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst.« Weiter wurde dort festgelegt, daß der EAD »mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedsstaaten« zusammenarbeitet und »Beamte aus den einschlägigen Abteilungen des Rates und der Kommission sowie abgeordnetes Personal der nationalen diplomatischen Dienste« umfaßt. Zum weiteren Vorgehen heißt es: »Die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes werden durch einen Beschluß des Rates festgelegt.« Dies ist im Dezember geschehen. Bis April 2010 soll nach Ashtons Vorschlag alles stehen. In Wirklichkeit entscheiden aber allein die Regierungen der großen Mitgliedsstaaten. Die nationalen Parlamente und das europäische haben bei dieser gravierenden Entscheidung nichts zu bestellen, denn bereits im Vertrag von Lissabon wurde festgelegt: »Der Rat beschließt auf Vorschlag des Hohen Vertreters nach Anhörung des Europäischen Parlaments und nach Zustimmung der Kommission.«
Wenn jetzt beispielsweise der EU-Außenpolitiker Elmar Brok (CDU), der bei der Erarbeitung des Vertrags von Lissabon mitgewirkt hat, fordert, das Europäische Parlament solle bei der Konzipierung des EAD mitentscheiden, scheint es, als könne er sich nicht mehr an das erinnern, was er damals abgenickt hat. Die Parlamente bleiben außen vor. Anhörung ja, aber Mitentscheidung nein. Geradezu klandestin hatte im Sommer 2009 noch vor dem zweiten irischen Referendum die schwedische Ratspräsidentschaft, die Vorschläge der großen drei aufnehmend, einen Text zum Aufbau des EAD erarbeitet. Dieser wurde denn auch, unmittelbar nachdem Irland grünes Licht gegeben hatte, weiter intern bearbeitet und vom EU-Rat schon Ende Oktober abgesegnet.
Die Grundzüge stehen fest: Es wird ein Dienst »sui generis« eingerichtet, d.h., er wird weder dem Rat noch der Kommission untergeordnet sein. Das macht ihn zunehmend unkontrollierbar. Er wird damit quasi wie eine EU-Agentur eine eigene Verwaltungsabteilung. Nur daß es jetzt dabei um die größte Agentur geht, die die Europäische Union je hatte. Die Planungen für den Stellenbedarf schwanken zwischen 5000 und über 8000 Beamten. Das entspricht dem diplomatischen Dienst eines großen Mitgliedsstaates. Weshalb der Dienst nicht der Kommission untergeordnet werden soll, verdeutlicht das bereits zitierte parlamentarische Gutachten: »Im Fall der Verankerung des EAD bei der Kommission stünde der EAD unter der Kontrolle des EP (Europäischen Parlaments - M.H.), weshalb das EP eine Eingliederung des EAD in die Kommission fordert. Damit würde es auch größere Mitspracherechte bei der Außenpolitik der EU erhalten.« Da demokratische Mitspracherechte von seiten der Herrschenden bei der Entscheidung über Krieg und Frieden möglichst völlig herausgehalten werden sollen, bot sich die jetzige Lösung als eigenständiger Dienst förmlich an.
Gewaltenverschmelzung
Das zweite Merkmal, auf das sich die Mitgliedstaaten bereits geeinigt haben, ist der politisch-militärische Charakter des EAD. Auch die militärischen Strukturen der EU sollen Teil des EAD werden. Das wäre in etwa so, als würde man in Deutschland Außen- und Verteidigungsministerium integrieren. Dazu kämen dann noch die wesentlichen Abteilungen des Entwicklungsministeriums. Die dritte entscheidende Festlegung ist, daß Großbritannien und Frankreich sich das Recht gesichert haben, auch Angestellte aus der Privatwirtschaft in die Dienste »hineinzudrücken«. Dafür wird Deutschland offenbar eine wesentliche Rolle bei der Kontrolle der Finanzen spielen. Generell gilt, daß etwa 20 Prozent der Angestellten des EAD aus Deutschland kommen sollen. Mit 150 plus x stellt man ein Fünftel und mehr des höheren Dienstes. Zum EAD werden auch die 130 Auslandsvertretungen der EU gehören, die, wenn es nach dem Willen der großen drei geht, dann auch Sicherheitsattachés sowie bei Bedarf Terror- und Migrationsabwehrabteilungen bekommen sollen. Eine horizontale Gewaltenteilung wird, wie mit dem Amt des Hohen Vertreters selbst, aufgehoben, eine zentrale Errungenschaft des bürgerlichen Staates so mit einem Federstrich zunichte gemacht. Auf EU-Ebene geht es offen um die Verschränkung der Apparate, auf eine auch nur scheinbare Trennung der Gewalten wird verzichtet. Es geht um Gewaltenverschmelzung zugunsten der internationalen Durchsetzung von Kapitalinteressen der drei großen EU-Mitgliedsstaaten.
Selbstverständlich werden und sollen auch die mittleren und kleinen Mitgliedsländer profitieren. Aber diese werden sich konzeptionell und personell nur unzureichend im EAD wiederfinden. Dazu kommt die Gefahr, daß für kleinere Mitgliedsstaaten eine eigenständige Außenpolitik wegen eines schwergewichtigen EAD immer schwieriger werden wird. Die Außenpolitik des kommunistischen Präsidenten der Republik Zypern, Dimitris Christofias, gegenüber Lateinamerika z.B. dürfte dann auf noch mehr Widerstände stoßen. Die Konzeption des EAD bedeutet insofern einen Souveränitätsgewinn für Deutschland, Frankreich und Großbritannien, verbunden mit der Gefahr eines massiven Souveränitätsverlusts für die anderen und insbesondere die kleinen EU-Mitgliedsstaaten.
Aus dem Rat wird berichtet, allein Frankreich habe sich einer Einbeziehung der militärischen Strukturen in den EAD widersetzt. Wer dabei allerdings eine gallische Heldentat in der Tradition der Révolution Française vermutet, dürfte sich irren. Vieles spricht dafür, daß es der konservativen Regierung Frankreichs, die sich ungefähr genau so sehr dem gaullistischen Erbe verpflichtet fühlt wie die deutsche Sozialdemokratie dem von Karl Marx, allein darum ging, daß der EAD aus besagten Gründen nicht unter die Kontrolle der EU-Kommission gerät.
Alle operativen militärischen und zivil-militärischen Strukturen sollen Teil des EAD und so der Hohen Vertreterin unterstellt werden. So wird der zuvor beim Rat ansässige EU-Militärstab ebenso in den EAD integriert wie das Situation Centre (SitCen), die Nachrichtensammelstelle der EU. Vor allem aber sollen die bisher im Rat angesiedelten Generaldirektionen E-VIII, zuständig für die militärisch-strategische Einsatzplanung, und die Abteilung E-IX (zivile Einsatzplanung) im EAD aufgehen. Gleichzeitig beabsichtigt man die Generaldirektionsabteilungen VII und IX im neuen Crisis Management Planning Directorate (CMPD) zu vereinigen. Zivile und militärische Aspekte der EU-Politik werden so institutionell verzahnt und damit bis zur Unkenntlichkeit verwischt - wie gesagt, es geht um imperiale Machtpolitik aus einem Guß.
Dabei ist nicht nur bemerkenswert, mit welcher Selbstverständlichkeit dies geschieht, sondern auch, wie sehr diese Konstruktion künftig eine Vorbildwirkung für Strukturen in den EU-Mitgliedsstaaten habe könnte. Der Traum der FDP, das Entwicklungshilfeministerium abzuschaffen, droht in der EU nun Wirklichkeit zu werden. »Vernetzte Sicherheit« schaffen, das ist die Parole der Stunde, die in Europa bereits ihren »Dienst« gefunden hat. Während man in Deutschland noch auf die Zusammenstellung von Ministeriumsrunden in puncto Afghanistan angewiesen zu sein scheint, ist man in Brüssel bereits einen Schritt voraus. Der EAD ist als politisch-militärischer Dienst eben deshalb so gefährlich, weil er auf diplomatischer Ebene die Vorbereitung von permanenten Besatzungsregimen sein wird. Zumindest vereinigt er in sich alles, was für erforderlich gehalten wird - vom Kolonialkrieger bis zum »zivilen« Kolonialverwalter.
Deutsches Machtkalkül
Was die Sprachenregelung des EAD angeht, sagen böse Zungen in Europa, Deutsch werde den Absichten des deutschen Imperialismus geopfert. Als Dienstsprachen sind bisher, wie im Sicherheitspolitischen und Politischen Komitee, dem PSK, lediglich Französisch und Englisch vorgesehen. Während die deutsche Bundesregierung den Bundestag beispielsweise animiert, alle Dokumente, die von der EU-Kommission lediglich auf Englisch nach Berlin versandt werden, zurückzuweisen, macht sie bei der Konzipierung des EAD in Brüssel keinerlei Anstalten, Deutsch als dritte Arbeitssprache, wie in anderen EU-Gremien, durchzusetzen. Zu gewichtig scheinen die Zugeständnisse, die Deutschland in Sachen politischer Einfluß auf den EAD gemacht wurden, als daß man sich in der Sprachenfrage mit Briten und Franzosen anlegen müßte. Wie das Nachrichtenportal German-Foreign-Policy Mitte November berichtete, habe Werner Hoyer (FDP), der Staatsminister im Auswärtigen Amt, geäußert, es sei keineswegs erforderlich, daß Deutschland den Ratspräsidenten oder den Hohen Vertreter stelle - soviel zu den eingangs erwähnten Pappkameraden. Dort, wo die Musik spielt, nämlich auf der unmittelbar darunterliegenden Funktionärsebene, lege man jedoch »großen Wert darauf, entsprechend beteiligt zu sein«. Fazit: Der weltweite deutsche Einsatz für Kapitalinteressen spricht Englisch und Französisch. Das Deutsch, auf dem man sonst immer so besteht, wenn es um die Frage der EU-Arbeitssprachen geht, gibt man dabei im Rahmen eines - neudeutsch - Packagedeals weg wie einen alten Hund. Wer hätte dies bei einer konservativ-liberalen Regierung für möglich gehalten?
Keiner weiß genau, wie hoch die Rechnung für den EAD ausfallen könnte. Allein, es ist schon klar, wer sie bezahlen wird. In der Erklärung der Staats- und Regierungschefs zu zehn Jahren Europäischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik heißt es dazu lapidar: »Wir erkennen an, daß der GASP-Haushalt den Erfordernissen unserer Politik und den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen angemessen sein sollte.« Jetzt erst wird greifbar, was mit der Aufrüstungsverpflichtung des Vertrags von Lissabon gemeint ist. In der ESVP-Erklärung heißt es: »Wir verpflichten uns zur weiteren Verbesserung unserer Kapazität zur Bereitstellung nationaler und multinationaler Fähigkeiten für Krisenbewältigungsmissionen und -operationen der Europäischen Union. Der Ausbau der ESVP erfordert eine größere Verfügbarkeit von zivilem und militärischem Personal und von Ausrüstung.«
Damit wird ein erheblicher Mehrbedarf an Finanzmitteln für den Ausbau der Außen- und Sicherheitspolitik im allgemeinen, aber auch für den EAD im besonderen verknüpft. Es gibt zwar auch andere Überlegungen, im EAD-Bericht der schwedischen Ratspräsidentschaft wird aber vorgeschlagen, daß künftig der Hohe Vertreter das Gesamtbudget des Dienstes vorschlagen und einen eigenen Haushaltstitel erhalten soll - ein sehr nettes Feature, das perspektivisch zu einem sprunghaften Anstieg des Gesamtbudgets führen könnte.
Doch woher soll das Geld kommen? Ab 2014 wird ein ganz erheblicher Finanzmehrbedarf für den EAD erwartet. Eine signifikante Steigerung des EU-Haushalts in der nächsten Legislatur ist jedoch nicht zu erwarten. In der EU-Kommission wird deshalb zusammen mit den EU-Mitgliedsstaaten diskutiert, die Strukturfonds für die Regionen anzutasten und ab 2013 bestimmte Förderungen, die für die ärmeren EU-Regionen von zentraler Bedeutung sind, einfach auslaufen zu lassen. Die zweite Idee ist nicht minder perfide. Hier geht es um einen Angriff auf die Agrarfonds, die zusammengestrichen werden sollen, um Geld für die Interessensdurchsetzung Europas in der Welt lockerzumachen. Die Richtungsentscheidung ist, inwieweit die freigesetzten Gelder für die Militarisierung der Europäischen Union verwendet werden. In diesem Zusammenhang plazierte Michael Dauderstädt, seinerzeit Leiter der Internationalen Politikanalyse der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, bereits im Januar 2004 einen Artikel in der Financial Times Deutschland, der sich nun auf gruselige Weise als nachgerade prophetisch herausstellt: »Die Europäische Union hat 2002 etwa 46 Milliarden Euro für die Landwirtschaft ausgegeben. (...) Die EU sollte dieses Geld besser für die Forschung, Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern einsetzen. (...) In der offensiven Bekämpfung muß die Rüstung ein Militär ausstatten, dessen Einsatzprinzipien denen einer globalen Polizeitruppe entsprechen. Das Zerstörungspotential muß präzise sein. Das Einsatzgebiet ist oft außerhalb Europas. (...) Europa braucht eine gemeinsame Rüstungspolitik statt der Gemeinsamen Agrarpolitik, also Kanonen statt Butter.«
Quelle:"Junge Welt"