Der Fluch des schwarzen Goldes
Von Johannes Dieterich. Aktualisiert am 03.12.2010
Die Ölförderung hat im nigerianischen Ogoniland eine ökologische Katastrophe ausgelöst.( ICH PERSÖNLICH SAG NUR EXXON UND SHELL !!!!)Während Fische und Vögel verschwunden sind, versuchen Die Bewohner mit Treibstoffproduktion zu überleben.
Kleinraffinerie in den Mangroven: Michael schürt das Feuer, um das Rohöl in den Fässern zu erhitzen.
Kleinraffinerie in den Mangroven: Michael schürt das Feuer, um das Rohöl in den Fässern zu erhitzen.
Bild: Johannes Dieterich
Artikel zum Thema
* Die Ölindustrie verschmutzt auch anderswo
* Die vergessene Ölpest
Celestine Akpobari meint es gut mit uns. «Plagt euch nicht ab», beruhigt der Ökoaktivist: «Ihr werdet heute noch genug Ölschlamm vor die Linse bekommen.» Der 37-jährige Nigerianer hat unseren Versuch verfolgt, einen bis zur Brust im Wasser watenden Jungen mit den ihn umgebenden Schlieren abzulichten: Doch in dem regenbogenfarbenen Wasserglanz wirkt die Szene fast noch attraktiv. Und dass unter der bunten Oberfläche noch braune Rohölschwaden schweben, ist auf den Bildern leider auch nicht zu sehen.
Esther Badom wird da schon etwas deutlicher. Früher habe sie hier jeden Tag eimerweise Garnelen gesammelt, erzählt die am Ufer des Bodo-Jetty-Flusses sitzende Frau: Inzwischen sei das träge fliessende Gewässer jedoch vollkommen tot. Vor fünf Jahren seien aus einer geborstenen Rohrleitung Unmengen an Rohöl in das riesige Feuchtgebiet geflossen: Seitdem muss sich die 21-Jährige mit dem Verkauf von Tickets für die Fähre zur nahe gelegenen Insel Bonny über Wasser halten, was ihr als Monatsverdienst statt der früher üblichen 150 höchstens noch 50 Dollar einbringt.
Geruch wie an einer Tankstelle
Fischer aus dem nahen Städtchen Bodo, die an ihrem herkömmlichen Beruf festzuhalten suchen, haben heute sechs Stunden lange Ruderfahrten zurückzulegen, um in fischhaltige Gewässer zu gelangen: Das im Herzen des Nigerdeltas gelegene Ogoniland gilt unter Experten als eine der am schlimmsten verpesteten Regionen der Welt.
Auf der Fahrt durch die von unzähligen Flussläufen durchzogenen Mangrovensümpfe wird das ganze Ausmass der Katastrophe augenfällig. Statt helles Wasser wühlt das Motorboot braune Brühe auf, wer seine Hand ins Wasser taucht, zieht ölige Finger heraus. Die Wurzeln der Mangrovenbäumchen ragen wie schwarze Lakritzenstangen aus dem Boden, traurig lassen vereinzelt anzutreffende Palmen ihre Wedel hängen. Vogelschwärme, wie sie in derartigen Feuchtgebieten sonst üblich sind, sucht man vergebens: Wird der Aussenbordmotor abgeschaltet, breitet sich in dem wie eine Tankstelle riechenden Ex-Paradies gespenstische Ruhe aus. «Was hier passiert, ist ökologische Kriegsführung», sagt Celestine Akpobari finster: «Wir leben in ständiger Gefahr, dass unsere Gesundheit ruiniert wird.»
Brachliegende Ölfelder
Die kriegerische Metaphorik unseres Begleiters ist durchaus angebracht. Beim Siedlungsgebiet der Ogoni handelt es sich um ein seit Jahrzehnten umkämpftes Schlachtfeld: Hier drangen vor über 60 Jahren die ersten Erdölexploratoren aus Europa ein, hier organisierte sich in den 80er-Jahren mit dem später exekutierten Schriftsteller Ken Saro Wiwa der erste Widerstand, hier musste der Shell-Konzern 1993 seine Produktion einstellen, weil es für dessen Ölarbeiter zu gefährlich wurde.
Noch heute ist dem europäischen Unternehmen die Rückkehr ins Ogoniland verwehrt: Während aus der gesamten Deltaregion, die ungefähr dreimal so gross wie die Schweiz ist, mit ihren über 5000 Bohrquellen und 7000 Kilometern an Rohrleitungen täglich mehr als zwei Millionen Fass der kostbaren Flüssigkeit gepumpt werden, liegen die Ölfelder im Ogoniland brach.
Überall marode Bohrlochköpfe
Alle paar Hundert Meter kommen wir an einem stählernen Gestell vorbei, das wie eine bizarre Skulptur aus dem Wasser ragt: «Christbäumchen» werden die Köpfe der Bohrlöcher zärtlich genannt. Die Installationen sind bis zu 50 Jahre alt, die meisten von ihnen bis ins Mark korrodiert. Jederzeit könnte ein solcher Bohrlochkopf auseinanderbrechen, meint Akpobari: Erst kürzlich habe er wieder gesehen, wie ein konstanter Strom an Rohöl aus einem «Christbäumchen» ins Wasser geflossen sei.
Mehr als zwei Milliarden Liter der zähen Flüssigkeit sind nach Expertenschätzungen im vergangenen halben Jahrhundert ins Ökosystem des Nigerdeltas geflossen: Jahr für Jahr dieselbe Menge Öl wie bei der Havarie des Supertankers Exxon Valdez vor 21 Jahren ins Meer vor Alaska floss und eine der grössten Umweltkatastrophen in der Geschichte der Menschheit auslöste.
Umweltschützer gegen Ölkonzerne
Wer für den anhaltenden Öko-GAU im nigerianischen Delta verantwortlich zu machen ist, darüber wird heftig gestritten: Während der Shell-Konzern Sabotage-Akte und den organisierten Rohöldiebstahl für mehr als 90 Prozent der Verschmutzung verantwortlich macht, sehen Umweltschützer berstende Bohrköpfe und lecke Pipelines als Hauptursache der Katastrophe. Shell wende bei seinen nigerianischen Operationen wesentlich niedrigere Sicherheitsstandards an, als sie sonst in der Welt üblich seien, warf der US-Wissenschaftler Richard Steiner dem Konzern in einer 2008 verfassten Studie vor: Allein die Rate der Leitungsdefekte sei «um ein Vielfaches höher als irgendwo sonst in der Welt».
Aus der Ferne sieht der vor uns auftauchende Ort wie eine verlassene ölverschmierte Werkstatt unter freiem Himmel aus. Erst als unsere Begleiter sich mit lauten Rufen als ungefährliche Besucher zu erkennen geben, tauchen aus den Mangroven mehrere Gestalten auf: Sie sind splitternackt und bis zum Hals mit Öl verschmiert. Unter einem der zahlreichen Fässer, die teilweise mit Röhren verbunden, teilweise willkürlich verstreut auf dem Gelände auszumachen sind, flackert ein Feuer: Wir sind auf eine illegale Kleinraffinerie zur Herstellung von Diesel und Benzin aus Rohöl gestossen.
Aus der Pipeline abgezapft
Im Fass über dem Feuer werde das Rohöl mehrere Stunden lang erhitzt, erklärt Michael, der sich als Chef der Gruppe zu erkennen gibt. Wie bei einem gewöhnlichen Destillierungsverfahren dringt dann das sich zuerst verflüchtigende Benzin durch die Rohre in den Auffangtopf: Später, wenn das Rohöl heisser wird, tröpfelt am Ende der Leitung Kerosin und schliesslich Diesel heraus. Auf diese Weise produzieren Michael und seine vier Mitarbeiter täglich bis zu vier Fässer Diesel à 300 Liter: «Das bringt uns 34'000 Naira ein» – umgerechnet rund 22 Franken.
Auf den ungewöhnlichen Berufszweig kamen die Deltabewohner, als schon vor Jahren in dem grössten schwarzafrikanischen Erdölstaat chronische Treibstoffknappheit herrschte: Nachdem die einzige Raffinerie Nigerias wegen Überalterung ausgefallen war, musste das im Land gewonnene Rohöl im Ausland veredelt und für den heimischen Bedarf wieder zurücktransportiert werden.
Keine Alternativen
Inzwischen wurde auf Bonny-Island zwar eine neue Raffinerie gebaut, doch die illegalen Rohölkocher heizen trotzdem weiter. Schliesslich können sie den lächerlich niedrigen Dieselpreis im Land (knapp 40 Rappen pro Liter) sogar noch unterbieten: Denn ihren Rohstoff bekommen sie umsonst. Das Erdöl stammt von sogenannten Bunkerern, welche die durchs Ogoniland führenden Pipelines anzuzapfen pflegen: Auf diese Weise, sind Experten überzeugt, gehen dem Land im gesamten Nigerdelta täglich mindestens 16 Millionen Liter Rohöl verloren. Nur ein verschwindend kleiner Teil des in provisorischen Reservoirs – den sogenannten Bunkern – zwischengelagerten Rohstoffs wird allerdings in illegalen Raffinerien weiterverarbeitet: Der Löwenanteil wird von organisierten kriminellen Netzwerken, zu denen auch Politiker und hochrangige Militärs gehören sollen, in Tankschiffe gefüllt und auf dem Weltmarkt verscherbelt.
Michael weiss ganz genau, dass sein Geschäft «nicht gut für die Umwelt» ist: Schliesslich leiten die Ölmänner die Restbestände ihrer Produktion direkt in den Boden. Auch bekommen die Raffinierer am eigenen Leib zu spüren, wie unverträglich der von ihnen bearbeitete Rohstoff ist: «Wir müssen mit Ausschlägen und Entzündungen leben.» Zuweilen komme es sogar zu schmerzhaften Verbrennungen, fährt Michael fort: Immer wieder fängt das beim Destillierungsprozess frei werdende Erdgas Feuer und verpufft in einer mächtigen Stichflamme. Trotzdem werden die Ölmänner ihre schmutzige Arbeit so schnell nicht aufgeben, versichert Michael: «Was bleibt uns denn anderes übrig? Als Fischer können wir schon lange nicht mehr arbeiten. Und Verbrecher wollen wir nicht werden.»
Schmiergeld für die Soldaten
Die seit Jahren anhaltende Debatte, ob die Umweltkatastrophe eher auf die Umtriebe der Bevölkerung oder die laxe Produktionsweise der Ölgesellschaften zurückzuführen sei, ist für Öko-Aktivist Celestine Akpobari ein bloss akademischer Streit. «Würden die Ölgesellschaften nicht als unwillkommene Eindringlinge wahrgenommen und hätten sie die Lebensgrundlage der heimischen Fischer nicht dermassen gründlich zerstört, gäbe es weder Sabotageakte noch Diebstahl und illegale Raffinerien.» Inzwischen sei das Verhältnis zwischen den Ogoni und vor allem Shell jedoch dermassen zerstört, dass nur ein Abzug des britisch-holländischen Konzerns infrage käme: «Vielleicht stellen sich ja andere Nationalitäten wie die Chinesen als besser heraus.»
Michael wird immer nervöser. «Höchste Zeit, dass ihr verschwindet», meint der muskulöse Ölmann nach einer knappen Stunde unserer Besuchszeit: «Jede Minute können die Soldaten kommen.» Werden die illegalen Ölveredler von der Joint Taskforce genannten Spezialeinheit der nigerianischen Streitkräfte bei ihrer Tätigkeit erwischt, droht ihnen zwar nicht die Verhaftung – aber die Zahlung einer schmerzhaft hohen Schmiergeldsumme. Denn an einem Ende des verheerenden Geschäfts ist den vornehmlich aus dem Norden des Landes stammenden Soldaten nicht wirklich gelegen: Sie wollen lieber – wie all die andern Nigerianer, die mit dem schwarzen Gold direkt oder indirekt in Berührung kommen – von dem Rohstoff profitieren. «Dieses verdammte Zeug hat unser Land in jeder Hinsicht auf den Hund gebracht», schimpft Umweltschützer Celestine Akpobari: «Am besten wäre es, wenn wir sämtliche Bohrlöcher zubetonieren würden.» (Tages-Anzeiger)
Erstellt: 02.12.2010, 21:40 Uhr
DAS GANZE IST NOCH NICHT ALLES ES WERDEN CHEMIKALIEN DA UNTEN VERSPRÜHT KAUM JMD WIRD ÄLTER ALS 60 DIE FISCHE SIND ALLE VERSEUCHT MIT WAS AUCH IMMER
BRANDSCHATZUNG UND MORDE AKTUELL OHNE ZU WISSEN WER DER AUFTRAGGEBER IST
ICH BLEIB DRANN !
Von Johannes Dieterich. Aktualisiert am 03.12.2010
Die Ölförderung hat im nigerianischen Ogoniland eine ökologische Katastrophe ausgelöst.( ICH PERSÖNLICH SAG NUR EXXON UND SHELL !!!!)Während Fische und Vögel verschwunden sind, versuchen Die Bewohner mit Treibstoffproduktion zu überleben.
Kleinraffinerie in den Mangroven: Michael schürt das Feuer, um das Rohöl in den Fässern zu erhitzen.
Kleinraffinerie in den Mangroven: Michael schürt das Feuer, um das Rohöl in den Fässern zu erhitzen.
Bild: Johannes Dieterich
Artikel zum Thema
* Die Ölindustrie verschmutzt auch anderswo
* Die vergessene Ölpest
Celestine Akpobari meint es gut mit uns. «Plagt euch nicht ab», beruhigt der Ökoaktivist: «Ihr werdet heute noch genug Ölschlamm vor die Linse bekommen.» Der 37-jährige Nigerianer hat unseren Versuch verfolgt, einen bis zur Brust im Wasser watenden Jungen mit den ihn umgebenden Schlieren abzulichten: Doch in dem regenbogenfarbenen Wasserglanz wirkt die Szene fast noch attraktiv. Und dass unter der bunten Oberfläche noch braune Rohölschwaden schweben, ist auf den Bildern leider auch nicht zu sehen.
Esther Badom wird da schon etwas deutlicher. Früher habe sie hier jeden Tag eimerweise Garnelen gesammelt, erzählt die am Ufer des Bodo-Jetty-Flusses sitzende Frau: Inzwischen sei das träge fliessende Gewässer jedoch vollkommen tot. Vor fünf Jahren seien aus einer geborstenen Rohrleitung Unmengen an Rohöl in das riesige Feuchtgebiet geflossen: Seitdem muss sich die 21-Jährige mit dem Verkauf von Tickets für die Fähre zur nahe gelegenen Insel Bonny über Wasser halten, was ihr als Monatsverdienst statt der früher üblichen 150 höchstens noch 50 Dollar einbringt.
Geruch wie an einer Tankstelle
Fischer aus dem nahen Städtchen Bodo, die an ihrem herkömmlichen Beruf festzuhalten suchen, haben heute sechs Stunden lange Ruderfahrten zurückzulegen, um in fischhaltige Gewässer zu gelangen: Das im Herzen des Nigerdeltas gelegene Ogoniland gilt unter Experten als eine der am schlimmsten verpesteten Regionen der Welt.
Auf der Fahrt durch die von unzähligen Flussläufen durchzogenen Mangrovensümpfe wird das ganze Ausmass der Katastrophe augenfällig. Statt helles Wasser wühlt das Motorboot braune Brühe auf, wer seine Hand ins Wasser taucht, zieht ölige Finger heraus. Die Wurzeln der Mangrovenbäumchen ragen wie schwarze Lakritzenstangen aus dem Boden, traurig lassen vereinzelt anzutreffende Palmen ihre Wedel hängen. Vogelschwärme, wie sie in derartigen Feuchtgebieten sonst üblich sind, sucht man vergebens: Wird der Aussenbordmotor abgeschaltet, breitet sich in dem wie eine Tankstelle riechenden Ex-Paradies gespenstische Ruhe aus. «Was hier passiert, ist ökologische Kriegsführung», sagt Celestine Akpobari finster: «Wir leben in ständiger Gefahr, dass unsere Gesundheit ruiniert wird.»
Brachliegende Ölfelder
Die kriegerische Metaphorik unseres Begleiters ist durchaus angebracht. Beim Siedlungsgebiet der Ogoni handelt es sich um ein seit Jahrzehnten umkämpftes Schlachtfeld: Hier drangen vor über 60 Jahren die ersten Erdölexploratoren aus Europa ein, hier organisierte sich in den 80er-Jahren mit dem später exekutierten Schriftsteller Ken Saro Wiwa der erste Widerstand, hier musste der Shell-Konzern 1993 seine Produktion einstellen, weil es für dessen Ölarbeiter zu gefährlich wurde.
Noch heute ist dem europäischen Unternehmen die Rückkehr ins Ogoniland verwehrt: Während aus der gesamten Deltaregion, die ungefähr dreimal so gross wie die Schweiz ist, mit ihren über 5000 Bohrquellen und 7000 Kilometern an Rohrleitungen täglich mehr als zwei Millionen Fass der kostbaren Flüssigkeit gepumpt werden, liegen die Ölfelder im Ogoniland brach.
Überall marode Bohrlochköpfe
Alle paar Hundert Meter kommen wir an einem stählernen Gestell vorbei, das wie eine bizarre Skulptur aus dem Wasser ragt: «Christbäumchen» werden die Köpfe der Bohrlöcher zärtlich genannt. Die Installationen sind bis zu 50 Jahre alt, die meisten von ihnen bis ins Mark korrodiert. Jederzeit könnte ein solcher Bohrlochkopf auseinanderbrechen, meint Akpobari: Erst kürzlich habe er wieder gesehen, wie ein konstanter Strom an Rohöl aus einem «Christbäumchen» ins Wasser geflossen sei.
Mehr als zwei Milliarden Liter der zähen Flüssigkeit sind nach Expertenschätzungen im vergangenen halben Jahrhundert ins Ökosystem des Nigerdeltas geflossen: Jahr für Jahr dieselbe Menge Öl wie bei der Havarie des Supertankers Exxon Valdez vor 21 Jahren ins Meer vor Alaska floss und eine der grössten Umweltkatastrophen in der Geschichte der Menschheit auslöste.
Umweltschützer gegen Ölkonzerne
Wer für den anhaltenden Öko-GAU im nigerianischen Delta verantwortlich zu machen ist, darüber wird heftig gestritten: Während der Shell-Konzern Sabotage-Akte und den organisierten Rohöldiebstahl für mehr als 90 Prozent der Verschmutzung verantwortlich macht, sehen Umweltschützer berstende Bohrköpfe und lecke Pipelines als Hauptursache der Katastrophe. Shell wende bei seinen nigerianischen Operationen wesentlich niedrigere Sicherheitsstandards an, als sie sonst in der Welt üblich seien, warf der US-Wissenschaftler Richard Steiner dem Konzern in einer 2008 verfassten Studie vor: Allein die Rate der Leitungsdefekte sei «um ein Vielfaches höher als irgendwo sonst in der Welt».
Aus der Ferne sieht der vor uns auftauchende Ort wie eine verlassene ölverschmierte Werkstatt unter freiem Himmel aus. Erst als unsere Begleiter sich mit lauten Rufen als ungefährliche Besucher zu erkennen geben, tauchen aus den Mangroven mehrere Gestalten auf: Sie sind splitternackt und bis zum Hals mit Öl verschmiert. Unter einem der zahlreichen Fässer, die teilweise mit Röhren verbunden, teilweise willkürlich verstreut auf dem Gelände auszumachen sind, flackert ein Feuer: Wir sind auf eine illegale Kleinraffinerie zur Herstellung von Diesel und Benzin aus Rohöl gestossen.
Aus der Pipeline abgezapft
Im Fass über dem Feuer werde das Rohöl mehrere Stunden lang erhitzt, erklärt Michael, der sich als Chef der Gruppe zu erkennen gibt. Wie bei einem gewöhnlichen Destillierungsverfahren dringt dann das sich zuerst verflüchtigende Benzin durch die Rohre in den Auffangtopf: Später, wenn das Rohöl heisser wird, tröpfelt am Ende der Leitung Kerosin und schliesslich Diesel heraus. Auf diese Weise produzieren Michael und seine vier Mitarbeiter täglich bis zu vier Fässer Diesel à 300 Liter: «Das bringt uns 34'000 Naira ein» – umgerechnet rund 22 Franken.
Auf den ungewöhnlichen Berufszweig kamen die Deltabewohner, als schon vor Jahren in dem grössten schwarzafrikanischen Erdölstaat chronische Treibstoffknappheit herrschte: Nachdem die einzige Raffinerie Nigerias wegen Überalterung ausgefallen war, musste das im Land gewonnene Rohöl im Ausland veredelt und für den heimischen Bedarf wieder zurücktransportiert werden.
Keine Alternativen
Inzwischen wurde auf Bonny-Island zwar eine neue Raffinerie gebaut, doch die illegalen Rohölkocher heizen trotzdem weiter. Schliesslich können sie den lächerlich niedrigen Dieselpreis im Land (knapp 40 Rappen pro Liter) sogar noch unterbieten: Denn ihren Rohstoff bekommen sie umsonst. Das Erdöl stammt von sogenannten Bunkerern, welche die durchs Ogoniland führenden Pipelines anzuzapfen pflegen: Auf diese Weise, sind Experten überzeugt, gehen dem Land im gesamten Nigerdelta täglich mindestens 16 Millionen Liter Rohöl verloren. Nur ein verschwindend kleiner Teil des in provisorischen Reservoirs – den sogenannten Bunkern – zwischengelagerten Rohstoffs wird allerdings in illegalen Raffinerien weiterverarbeitet: Der Löwenanteil wird von organisierten kriminellen Netzwerken, zu denen auch Politiker und hochrangige Militärs gehören sollen, in Tankschiffe gefüllt und auf dem Weltmarkt verscherbelt.
Michael weiss ganz genau, dass sein Geschäft «nicht gut für die Umwelt» ist: Schliesslich leiten die Ölmänner die Restbestände ihrer Produktion direkt in den Boden. Auch bekommen die Raffinierer am eigenen Leib zu spüren, wie unverträglich der von ihnen bearbeitete Rohstoff ist: «Wir müssen mit Ausschlägen und Entzündungen leben.» Zuweilen komme es sogar zu schmerzhaften Verbrennungen, fährt Michael fort: Immer wieder fängt das beim Destillierungsprozess frei werdende Erdgas Feuer und verpufft in einer mächtigen Stichflamme. Trotzdem werden die Ölmänner ihre schmutzige Arbeit so schnell nicht aufgeben, versichert Michael: «Was bleibt uns denn anderes übrig? Als Fischer können wir schon lange nicht mehr arbeiten. Und Verbrecher wollen wir nicht werden.»
Schmiergeld für die Soldaten
Die seit Jahren anhaltende Debatte, ob die Umweltkatastrophe eher auf die Umtriebe der Bevölkerung oder die laxe Produktionsweise der Ölgesellschaften zurückzuführen sei, ist für Öko-Aktivist Celestine Akpobari ein bloss akademischer Streit. «Würden die Ölgesellschaften nicht als unwillkommene Eindringlinge wahrgenommen und hätten sie die Lebensgrundlage der heimischen Fischer nicht dermassen gründlich zerstört, gäbe es weder Sabotageakte noch Diebstahl und illegale Raffinerien.» Inzwischen sei das Verhältnis zwischen den Ogoni und vor allem Shell jedoch dermassen zerstört, dass nur ein Abzug des britisch-holländischen Konzerns infrage käme: «Vielleicht stellen sich ja andere Nationalitäten wie die Chinesen als besser heraus.»
Michael wird immer nervöser. «Höchste Zeit, dass ihr verschwindet», meint der muskulöse Ölmann nach einer knappen Stunde unserer Besuchszeit: «Jede Minute können die Soldaten kommen.» Werden die illegalen Ölveredler von der Joint Taskforce genannten Spezialeinheit der nigerianischen Streitkräfte bei ihrer Tätigkeit erwischt, droht ihnen zwar nicht die Verhaftung – aber die Zahlung einer schmerzhaft hohen Schmiergeldsumme. Denn an einem Ende des verheerenden Geschäfts ist den vornehmlich aus dem Norden des Landes stammenden Soldaten nicht wirklich gelegen: Sie wollen lieber – wie all die andern Nigerianer, die mit dem schwarzen Gold direkt oder indirekt in Berührung kommen – von dem Rohstoff profitieren. «Dieses verdammte Zeug hat unser Land in jeder Hinsicht auf den Hund gebracht», schimpft Umweltschützer Celestine Akpobari: «Am besten wäre es, wenn wir sämtliche Bohrlöcher zubetonieren würden.» (Tages-Anzeiger)
Erstellt: 02.12.2010, 21:40 Uhr
DAS GANZE IST NOCH NICHT ALLES ES WERDEN CHEMIKALIEN DA UNTEN VERSPRÜHT KAUM JMD WIRD ÄLTER ALS 60 DIE FISCHE SIND ALLE VERSEUCHT MIT WAS AUCH IMMER
BRANDSCHATZUNG UND MORDE AKTUELL OHNE ZU WISSEN WER DER AUFTRAGGEBER IST
ICH BLEIB DRANN !