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    Von wegen humanitäre Hilfe: Worum geht es im Sudan wirklich?

    Sirius123
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    Von wegen humanitäre Hilfe: Worum geht es im Sudan wirklich? Empty Von wegen humanitäre Hilfe: Worum geht es im Sudan wirklich?

    Beitrag von Sirius123 Di 7 Jan - 17:44

    Da es ja ein wenig spannend bleiben soll, werde ich nicht schon zu Beginn verraten, welche Motive tatsächlich hinter dem „jüngsten“, in Wahrheit mehr als ein Jahrzehnt zurückreichenden Konflikt im Südsudan stecken. Der – so viel sei jetzt schon verraten – auch hier mal wieder fernbeheizte Bürgerkrieg dreht sich nämlich nicht nur um mehr Freimenschendemokratur und humanitäre Hilfe für die Opfer einer blutigen Auseinandersetzung, sondern vor allem um afrikanische Rohstoffe, die den Ressourcenhunger und Energiedurst großer Industrienationen stillen sollen, in diesem Fall denjenigen Chinas und der USA. Es ist also im Wesentlichen eine Auseinandersetzung zwischen zwei „Großmächten“. Das übliche Gesülze von einem naturbelassenen Krieg, in den God's Own Empire aus philanthropischen Gründen nun eingreifen müsse, kann man wie immer gleich dem Altpapier anvertrauen und den Wegseher zum Sperrmüll stellen.
    Zunächst sei ins Jahr 2007 zurückgespult, in dem die chinesische Führung ein Treffen zwischen einigen ihrer ranghöchsten Vertreter und den Staatschefs von 43 afrikanischen Ländern organisierte (darunter zum Beispiel Algerien, Mali, die Zentralafrikanische Republik und Südafrika) – eine Konferenz, auf der über eine engere wirtschaftliche Kooperation zwischen China und den konferierenden Ländern diskutiert wurde. In Washington zog man darob natürlich beide Augenbrauen hoch: Wie jetzt? Versuchen die etwa, uns das Wasser abzugraben? Schließlich haben auch wir Pläne für die weitere Entwicklung des Kontinents; die dort lagernden Ressourcen könnten wir eigentlich auch ganz gut gebrauchen. Zu diesem Zeitpunkt bezog China bereits circa 30 Prozent seiner Mmhm-Importe aus Afrika. Jetzt müssen wir uns aber sputen, muss George W. Bush wohl gedacht haben, als er bald darauf, nämlich 2008, das AFRICOM gründete (African Command, mit Sitz in Stuttgart), eine zentrale Koordinierungsstelle für Aktivitäten der US-Streitkräfte in Afrika.
    Klick, sssst. Einige Jahre zuvor, 2004. Der damalige US-Außenminister Colin Powell spricht von „Genozid“ in der Region Darfur im Südsudan, schweren Verbrechen wider die Menschlichkeit, die man aus humanitären Gründen unbedingt beenden müsse. Unterstützt von Hollywood-Größen wie Cary Grant 2.0 (George Clooney) und Konsorten wurde die geneigte Weltöffentlichkeit über die dringende Notwendigkeit amerikanischen Eingreifens im Sudan aufgeklärt, schließlich habe man eine Verantwortung zur Sicherung des Friedens in der Welt! Was man dabei verschwieg, sowohl seitens der US-Politik als auch der Vermassungsmedien und worüber auch Cary Grant, Jr. kein Wort verlor (vielleicht aus Unkenntnis, in Hollywood gab‘s bekanntlich schon immer viele nützliche Idioten, die auch noch den dicksten Lügen bereitwillig ein Colgate-Lächeln verpassten und mimischen Nachdruck verliehen): Bemerkenswerterweise gab die sudanesische Regierung in Khartoum ganz kurz vor Powells und Grants hochmoralischem Wachrüttel-Boogie bekannt, in der Region Darfur seien nicht unbeträchtliche Mengen an Mmhm entdeckt worden – in Zusammenarbeit mit chinesischen Mmhm-Konzernen, konkreter dem staatlichen chinesischen Mmhm-Konzern CNPC (Chinese National Putin Company). Bereits 1999 investierte dieser Konzern stattliche Geldsummen in die Entwicklung der Region, circa fünf Milliarden Dollar. Bis heute hat China schätzungsweise 15 Milliarden Dollar insgesamt in den Sudan gesteckt. Gebaut wurde eine Mmhm-Pipeline, die das – okay, Schluss mit dem Quatsch – ERDÖL aus dem südlichen Sudan zu einem neu gebauten Hafen („Port Sudan“) an der Küste des Roten Meeres transportierte, wo es die dicken Bäuche von Supertankern füllte und Richtung China geschippert wurde. Ach ja, und „CNPC“ steht natürlich nicht für „Chinese National Putin“, sondern „Chinese National Petroleum Company“. Ich bitte für die medienfreudsche Fehlleistung um Entschuldigung.

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    Von wegen humanitäre Hilfe: Worum geht es im Sudan wirklich? Empty Re: Von wegen humanitäre Hilfe: Worum geht es im Sudan wirklich?

    Beitrag von Sirius123 Di 14 Jan - 4:25

    Das Wirken der Geostrategen
    BERLIN/JUBA (Eigener Bericht) - Mit den blutigen Kämpfen im Südsudan mündet ein von Berlin unterstütztes staatliches Sezessionsprojekt in die Katastrophe. Jüngsten Schätzungen zufolge sind bei den bewaffneten Auseinandersetzungen dort seit Mitte Dezember rund 10.000 Menschen zu Tode gekommen. Die Bundesrepublik hatte die Abspaltung des Südsudan energisch gefördert, nicht nur mit politischer Rückendeckung, sondern auch mit konkreten Programmen zum "Staatsaufbau". Ursache war das Interesse an einer Schwächung des Sudan, der dem tendenziell antiwestlichen Teil der arabischen Welt zugerechnet wird. Der Südsudan besitzt drei Viertel der gesamtsudanesischen Ölvorräte. Er ist inzwischen eng an prowestliche Staaten Ostafrikas (Kenia, Uganda) angebunden. Die Bundesregierung trieb das geostrategisch motivierte Sezessionsvorhaben entschlossen voran, obwohl Beobachter warnten, es könne im Südsudan erneut Gewalt freisetzen: Rivalisierende Kräfte dort hatten sich bereits in den 1990er Jahren brutal bekämpft; gebe es in Juba staatliche Ressourcen zu verteilen, dann sei mit einem Wiederaufflammen dieser Kämpfe zu rechnen, hieß es. Genau dies ist nun eingetreten.
    10.000 Tote
    Aktuellen Schätzungen zufolge sind in den Kämpfen im Südsudan inzwischen bis zu 10.000 Menschen zu Tode gekommen, möglicherweise sogar mehr.[1] Die bewaffneten Auseinandersetzungen hatten am 15. Dezember begonnen - als Folge eines angeblichen Putschversuchs des im Sommer 2013 entmachteten Ex-Vizepräsidenten Riek Machar. Das Regime in Juba hat elf führende Politiker der Fraktion um Machar inhaftiert und geht militärisch gegen dessen Milizen vor; diese schlagen blutig zurück. Offiziellen Angaben zufolge sind mittlerweile über 200.000 Menschen auf der Flucht; die tatsächlichen Zahlen könnten noch weit höher liegen. Flüchtlinge berichten, es würden wahllos Zivilisten umgebracht und Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen gezielt attackiert. Tatsächlich stacheln Staatspräsident Salva Kiir (Dinka) und sein Kontrahent Riek Machar (Nuer) ihre jeweiligen ethnischen Gruppen gegeneinander auf. Die Kämpfe eskalieren weiter.
    Staatsaufbau
    Die Kämpfe im Südsudan stehen insofern in Zusammenhang mit der deutschen Außenpolitik, als Berlin die Sezession des Gebietes über Jahre hin mit vorbereitete und sie danach zu konsolidieren half. So sind etwa Maßnahmen zur Beratung der südsudanesischen Gesetzgebung und Justiz sowie die Erstellung einer südsudanesischen Verfassung vom Heidelberger Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht durchgeführt worden, in ersten Ansätzen schon 1998, in größerem Umfang ab 2002.[2] Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung lud 2002 südsudanesische Separatisten nach Deutschland ein; dort sollten sie "interessierten Kreisen" - so etwa dem Auswärtigen Amt - "über ihre Anstrengungen" berichten, "im Südsudan ein geordnetes Gemeinwesen aufzubauen".[3] Die bundeseigene Entwicklungsagentur GIZ startete 2007 (damals noch unter dem Namen GTZ) ein "Programm zur Unterstützung des Staatsaufbaus" im Südsudan, das unter anderem die Beratung von Ministerien und Verwaltungsapparaten umfasste.[4] Weiteren Fördermaßnahmen folgte 2011 politische Rückendeckung für das Sezessionsreferendum, mit dem die Abspaltung des Südsudan formell beschlossen wurde. Seit 2005 sind zudem deutsche Soldaten im Sudan und im Südsudan stationiert; sie sollen nach der Abspaltung des Südsudan auch dessen staatliche Konsolidierung absichern.
    Warnungen
    Berlin trieb die Sezession des Südsudan gemeinsam mit Washington und London ungeachtet der Tatsache voran, dass kritische Beobachter vor schwerwiegenden Folgen warnten - Warnungen, die sich jetzt als überaus begründet herausstellen. So hat, wie manche befürchteten, bereits die Grenzziehung zwischen Sudan und Südsudan zu heftigem Streit und blutigen Kämpfen geführt - weil nicht geklärt werden konnte, ob nomadisch lebende Bevölkerungsteile durch die neue Grenze von ihren Weidegebieten ferngehalten werden durften, oder auch, weil beide Seiten Anspruch auf dasselbe Ölfeld erhoben.[5] Vielleicht noch gravierender waren Warnungen, es könne nach der Abspaltung zu erbitterten Machtkämpfen im Südsudan kommen. Hintergrund war die Erkenntnis, dass dort verschiedene Fraktionen der Rebellen sich bereits in der Zeit des Bürgerkriegs gegen den Norden blutige Fehden geliefert hatten und diese gelegentlich brutaler ausgetragen wurden als die Kämpfe gegen Khartum. So spalteten sich 1991 Milizionäre unter dem Kommando von Riek Machar von der Sudan People's Liberation Army (SPLA) ab und gingen mit Waffengewalt gegen sie vor. Auch damals griffen die Kontrahenten auf ethnische Bindungen zurück, um den Gegner niederzuringen; Machars Milizen etwa verübten 1991 in Bor ein Massaker an mehreren Tausend Dinka. Als Berlin die Abspaltung des Südsudan vorantrieb, warnten Beobachter, diese Machtkämpfe könnten wieder aufflammen, sobald die verschiedenen Fraktionen der SPLA die Kontrolle staatlicher Ressourcen unter sich ausmachen würden. Genau dies ist nun eingetroffen.
    Geostrategie
    Ursache für die entschlossene Sezessionshilfe trotz aller Warnungen war das Interesse an einer Abspaltung des Südsudan. In dem Gebiet liegen rund drei Viertel der gesamtsudanesischen Erdölvorkommen; mit der Abspaltung des Südens hat Khartum nicht nur ein riesiges Gebiet, sondern auch die Kontrolle über diese Ressourcen verloren. Das ist aus westlicher Sicht von Bedeutung, weil Khartum dem tendenziell antiwestlichen Teil der arabischen Welt zugerechnet wird, während Juba nun den Anschluss an die East African Community (EAC) sucht, einen prowestlichen Staatenbund.[6] Die Abspaltung des Südsudan diente damit der Schwächung eines - aus westlicher Sicht - widerspenstigen Staates und der Angliederung der südsudanesischen Reichtümer an die kooperationsbereite EAC. Tatsächlich haben die EAC-Mitglieder Kenia und Uganda inzwischen maßgeblichen wirtschaftlichen Einfluss auf Juba gewonnen und dessen Anbindung an ihren Staatenbund in Angriff genommen. Ursprünglich zielten die deutschen Pläne zur Abspaltung des Südsudan auch darauf ab, China einen Dämpfer zu verpassen: Die Volksrepublik kooperierte eng mit Khartum, während in Juba um das Jahr 2005 herum eher deutsche sowie andere westliche Unternehmen auf dem Sprung waren. Inzwischen hat jedoch der chinesische Wirtschaftseinfluss im Südsudan deutlich zugenommen; das gilt insbesondere auch für die Ölindustrie.
    Die Folgen
    Die geostrategisch motivierten Operationen zur Abspaltung des Südsudan, an denen Berlin sich maßgeblich beteiligt hat, münden nun mit den aktuellen Kämpfen in die Katastrophe. Mittlerweile hat Uganda Soldaten in den Südsudan entsandt, um ein vollkommenes Abgleiten des Landes in den Bürgerkrieg zu verhindern; ugandische Kampfflugzeuge sollen Stellungen der Milizen von Riek Machar bombardiert haben. Dieser hat Vergeltungsschläge angekündigt, sollte Uganda, das stets loyal prowestliche Positionen in Ostafrika einnimmt [7], sich einmischen. Damit drohen die Kämpfe im Südsudan auf einen weiteren Staat überzugreifen und das ohnehin heftig erschütterte Ostafrika [8] noch weiter zu destabilisieren - ein weiteres Beispiel für die fatalen Folgen des Wirkens westlicher Geostrategen.

    Quelle



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